Schlagwort: Energiewende

Den Verkehr de-karbonisieren

„Trotz einiger Fortschritte werden die Verkehrsemissionen in den kommenden Jahren nicht schnell genug sinken, um die internationalen Klimaziele zu erreichen.“ Das schreibt das Internationale Transportforum ITF in seinem jüngsten, zweijährlich erscheinenden Outlook.

Schon jetzt ist der Verkehr für rund 23 Prozent der energiebedingten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Machen wir so weiter wie bisher, geht es vor allem auch wegen der zunehmenden Nachfrage noch weiter in die falsche Richtung. So wird auf Basis der gegenwärtigen Entwicklung der Personenverkehr bis 2050 um 79 Prozent zunehmen, der Güterverkehr wird sich in etwa verdoppeln.

Das ITF hat aber auch ein Szenario durchgerechnet, in dem die Politik erhöhte Anstrengungen (high ambitions) unternimmt, den Verkehr zu dekarbonisieren und Verkehrsnachfrage und Emissionen zu entkoppeln. Ein großer Hebel liegt im städtischen Bereich. Bei ehrgeizigen Zielen könnte der Anteil des motorisierten Individualverkehrs dort von 49 Prozent im Jahr 2019 auf 36 Prozent im Jahr 2050 sinken.

Auch in ländlichen Regionen lassen sich Emissionen vermeiden: vor allem durch den Ausbau des Schienenverkehrs. Allerdings werden am Land auch 2050 noch die Hälfte der (regionalen) Fahrten mit dem PKW zurückgelegt, egal mit welchem Antrieb, prognostiziert das ITF.

Quer über alle Verkehrsträger empfiehlt das Transportforum ein stärkere Nachfragesteuerung der Politik im Verkehr: durch Straßenbenutzungsgebühren, die Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs (auch durch alternative Angebote und gute Öffis) oder die Förderung des multimodalen Verkehrs (z.B. Nutzung von Schiene und Wasserwegen für Liefertransporte). Auch die Befreiung des Luft- und Seeverkehrs von der Mineralölsteuer läuft einer Dekarbonisierung entgegen und sollte abgeschafft werden. Da dort eine Elektrifizierung des Antriebs am schwierigsten möglich ist, setzt das ITF bei Flugzeug und Schiff auf (teurere) klimaneutrale Kraftstoffe.

In der Stadt ist es am leichtesten, Emissionen zu vermeiden. „Flächendeckende öffentliche Verkehrsnetze sind ein entscheidender Faktor für eine zugängliche und erschwingliche städtische Mobilität“, schreibt das ITF in seiner Prognose. Damit werden auch soziale Schieflagen ausgeglichen, damit sich im Jahr 2050 nicht mehr nur Begüterte Mobilität leisten können. Eine Kombination vieler ambitionierter Maßnahmen „kann die CO2-Emissionen in urbanen Gebieten bis 2050 im Vergleich zu 2019 um mehr als 78 Prozent senken“.

Entscheidend werde auch sein, in der Verkehrsplanung umzudenken: Bisher wird Infrastruktur (etwa eine neue Straße) als Reaktion auf die prognostizierte Nachfrage gebaut. Das ITF empfiehlt stattdessen den „Decide and Provide“-Ansatz: Gebaut wird nach Maßgabe von Zielen (etwa Emissionsvermeidung).

Das ambitionierte Szenario des Internationalen Transportforums wäre übrigens nicht teurer als ein „weiter wie bisher“: Der Gesamtbedarf an Investitionen in die Kerninfrastruktur wie Straßen, Schienen und Flughäfen ist mit ehrgeizigen Maßnahmen 5 Prozent niedriger als bei „business as usual“.

https://www.itf-oecd.org/sites/default/files/repositories/itf-transport-outlook-2023-summary-de.pdf

Klimafreundlicherer Verkehr ohne Wohlstandsverlust

Wie Großstädte Emissionen einsparen können

Wie man Metropolen mit klimafreundlichem Verkehr versorgen kann, ohne die Bevölkerung zu überfordern: Das zeigt auch eine vom Berliner Mercator Institut mitverfasste neue Studie für 120 Städte weltweit. Sie beherbergen 525 Millionen Menschen auf fünf Kontinenten. Maßgeschneiderte Klimapolitik im Verkehr kann die Treibhausgas-Emissionen in 15 Jahren um 22 Prozent verringern, ohne dass die Lebensqualität darunter leidet, so das Ergebnis der Studie. Macht man in der städtischen Politik weiter wie bisher, sinkt der Treibhausgas-Ausstoß nur um 3 Prozent.

https://www.mcc-berlin.net/news/meldungen/meldungen-detail/article/in-15-jahren-weltweit-ein-fuenftel-weniger-klimagase-im-stadtverkehr.html

Wetterkapriolen im Sommer

EU-Warnung

Die EU-Umweltagentur EEA warnt vor klimabedingten Wetterkapriolen im Sommer in Europa. Es hat ein neues Webportal zu Wetterextremen vorgestellt, das vergangene Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Waldbrände untersucht.

In der Online-Übersicht mit dem Titel „Extremes Sommerwetter in einem sich verändernden Klima: Ist Europa vorbereitet?“ will die EEA detailliert zeigen, wie sich Wetterextreme zunehmend auf die Bevölkerungen, Volkswirtschaften und die Natur in Europa auswirken.

https://science.orf.at/stories/3219786/

Arktis schon in 2030ern eisfrei

Schmelze

Das Eis in der Arktis schmilzt schneller, als bisherige Prognosen nahelegen. Der arktische Ozean könnte schon in wenigen Jahren zumindest in den Sommermonaten eisfrei sein, wie eine aktuelle Studie zeigt. Selbst eine Reduktion der Treibhausgasemissionen kann das nicht mehr verhindern. Verglichen mit anderen Erdregionen erwärmt sich die Arktis viermal so schnell. In den letzten drei Jahrzehnten gingen so im Sommer drei Viertel des arktischen Packeises verloren. Auch wenn das Eis in den Wintermonaten in der Regel wieder zurückkehrt, befürchtet das Forschungsteam negative Auswirkungen auf die Ökosysteme der Arktis.

https://science.orf.at/stories/3219668/

Kurz gemeldet

Das Winterhalbjahr 2022/2023 war überdurchschnittlich warm. Das zeigen die Daten von GeoSphere Austria, dem Deutschen Wetterdienst und MeteoSchweiz. Vor allem nördlich des Hauptkamms fehlte der Schnee. Die Schneedecke erholte sich erst Anfang des Frühjahrs.

https://oesterreich.orf.at/stories/3211549/

Und hitzig geht es weiter: Die Temperaturen über allen eisfreien Ozeanen waren im Mai höher denn je seit Beginn der Aufzeichnungen. Das belegen Daten des europäischen Copernicus Klimawandeldienstes.

https://climate.copernicus.eu/

TIPPS

Treibhauspost

Klimatrends, die Hoffnung machen: Diesem Thema haben sich die zwei Macher des Newsletters „Treibhauspost“ verschrieben. Die Berliner Autoren Manuel Kronenberg und Julien Gupta folgen mit ihren Artikeln konstruktiven Ansätzen zur Bewältigung der Erderhitzung, vergessen dabei aber auch nicht, die Ursachen und Verursacher der Klimakrise zu benennen. Die Problematik einer nach stetem Wachstum gierenden Wirtschaft sprechen sie ebenso an wie die Chancen, die sich aus einer fleischärmeren und damit klimafreundlicheren Ernährung ergeben. Die Veröffentlichungen der „Treibhauspost“ sind auch komfortabel nachzulesen.

Der Newsletter erscheint in unregelmäßigen Abständen und ist gratis abonnierbar.

Energiewende. Wettlauf mit der Zeit.

Eine neue Sonderausstellung zu Klimakrise und Energiewende zeigt das Technische Museum Wien seit dieser Woche. Auf fünf Ebenen dokumentiert es, warum wir eine Energiewende brauchen, damit unser Planet lebenswert bleibt, an welchen Stellschrauben wir drehen können und wie eine klimafreundliche Welt in 30 Jahren aussehen könnte, wenn wir heute die richtigen Weichen stellen.

https://www.technischesmuseum.at/ausstellung/energiewende

Die Blumenwiese im Wandel

TOPOS

Unsere Wiesen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. So manche Fläche gleicht tatsächlich dem sprichwörtlichen „Grünland“, weil fast alle Blumen verschwunden sind. Vor allem auf überdüngten Wiesen geht die Artenvielfalt zurück. Hochleistungsgräser dominieren heute fast 90 Prozent der Wiesenflächen.

Wie es um unsere Wiesen steht und wie sie aussehen könnten, dokumentiert TOPOS in Film und Text.

https://topos.orf.at/Artenvielfalt_Blumenwiese100

Klima-Lügen

Diese Woche kam es zu einigen Begriffsverwirrungen. Da wurden Menschen, die Straßen blockierten und sich auf den Asphalt klebten, als „Klima-Terroristen“ bezeichnet. Egal ob man diese Form der Proteste gut findet oder nicht, muss man den Proponent:innen dieses Begriffs attestieren, dass seine Benutzung nur unter großzügiger Umgehung der Großhirnrinde möglich ist. Das Recht zu protestieren, ist durch die Verfassung geschützt. Auch mit Straßenblockaden weiß unser Rechtssystem umzugehen. Zu Verkehrsbehinderungen kommt es auch, wenn in Linz ein Demonstrationszug über die Landstraße zieht oder in Wien über den Ring. Normalerweise sorgen Autofahrer selbst dafür, dass ein Stau entsteht. Sorgen andere dafür, bricht für einige wenige die Welt zusammen. Offenbar ist der selbstgemachte Stau der bessere.

In Deutschland wurde der Begriff „Klima-Terroristen“ vor ein paar Tagen zum Unwort des Jahres 2022 gewählt. Hierzulande vermisse ich diese Sensibilität noch. „Terrorismus“ ist sinngemäß die Verbreitung von Angst und Schrecken. Man könnte nun fragen, wer mehr Angst und Schrecken verbreitet: Leute, die Straßen blockieren, oder jene, die mit dem Aufheizen der Atmosphäre für die Entvölkerung ganzer Weltregionen sorgen werden?

Wie gesagt: ich bin mir über die Effektivität der Proteste der „Letzten Generation“ auch nicht ganz im Klaren. Aber die nun aufkommende Diktion ist beängstigend. Der Wiener FPÖ-Politiker Dominik Nepp postete gar ein Piktogramm, auf dem er das Anpinkeln der Klima-Aktivist:innen propagiert. Das ist zum Fremdschämen. Besonders häufig findet man den Klimaterrorismus-Vorwurf übrigens auf dem der ÖVP nahestehenden Internetportal exxpress.at.

Sein Chefredakteur kritisierte so wie andere diese Woche auch, dass sich zig Wissenschafter:innen in Österreich mit den Anliegen der Klima-Aktivist:innen solidarisierten, darunter etwa der Wissenschafter des Jahres, der Biodiversitätsforscher Franz Essl, oder die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Wissenschaft ist keine Glaubensfrage, sondern ein Erkenntnissystem. Seine besondere Stärke liegt darin, dass es Mechanismen entwickelt hat, um Irrtümer wie verdrehte Zahlenreihen, defekte Messgeräte oder auch Betrug möglichst schnell aus sich heraus zu beseitigen. Religiöse Systeme sind nur dogmatisch, durch Verordnung „von oben“ zu ändern. Das System Wissenschaft hingegen kommt durch Methodik und breiten Konsens zu seinen Erkenntnissen. Wen wundert es also, dass die Wissenschafter:innen ihre Daten ernst nehmen und sich auch persönlich dahinter stellen? Viel beunruhigender wäre es doch, würden sie ihren Studien nicht trauen. Traditionell hat sich die Wissenschaft weitgehend aus der Politik herausgehalten. Aber nun scheint die politische Ignoranz gegenüber ihrer Arbeit so provokant geworden sein, dass sie sich deklariert. Für mich durchaus ein Verzweiflungsakt und ein längst überfälliger Bruch mit überlebten Gepflogenheiten.

Und wer der Klimawissenschaft noch immer nicht vertraut, der möge sich seine Informationen über die Erderhitzung bei der Fossil-Lobby holen: Wie eine brandneue Studie zeigt, berechnete der Erdölkonzern ExxonMobil schon in den 70er-Jahren sehr exakt, wie sich das CO2 in der Atmosphäre auf die planetare Erwärmung auswirken würde. Davon mehr in diesem Newsletter, den ich zusammen mit Juliane Nagiller gestaltet habe.

Moore

Verbündete im Klimaschutz

Als ich zum ersten Mal mit Wissenschaftern zu einer kleinen „Moorexpedition“ aufbrach, wurde ich ausgelacht. Ich bin mit Turnschuhen beim vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht. Zum Glück fand sich im Uni-Keller ein Paar Gummistiefel. Mit denen stapfte ich dann stundenlang durchs Moor, völlig fasziniert von den tollen Geräuschen, die entstehen, wenn das Heidekraut nachgibt und der Fuß in der saftigen Nässe des Moors versinkt.

Moore sind unsere besten Verbündeten im Kampf gegen die Erderhitzung. Sie bedecken zwar nur drei Prozent der Landfläche, binden aber etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Biomasse aller Wälder der Erde zusammen. Diese Ökosystemleistung erbringen jedoch nur intakte Moore und intakt ist ein Moor dann, wenn es nass ist. Ein Moor besteht aus 90 Prozent Wasser. Man könne sich das kaum vorstellen, aber ein intaktes Moor habe einen höheren Wassergehalt als Milch, erklärte mir der Moorexperte Harald Zechmeister.

90 Prozent der ursprünglichen Moorfläche Österreichs haben wir bereits verloren. Sie wurden durch Gräben entwässert oder als Torfquelle benutzt. Mit verheerenden Klimawirkungen: Wird dem Moor das Wasser entzogen, dringt Sauerstoff ein, der Zersetzungsprozess beginnt und gebundener Kohlenstoff wird in Form von CO2 freigesetzt. Die weltweite Entwässerung von Mooren verursacht deutlich mehr CO2-Emissionen als der globale Flugverkehr, warnte Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung bei der Präsentation des neuen Mooratlas (https://www.boell.de/de/mooratlas) diese Woche.

Auch Österreichs Moore emittieren derzeit viel CO2. Von den 10 Prozent der ursprünglichen Moore, die wir hierzulande noch haben, ist nämlich nur ein Bruchteil intakt. Damit unsere Moore wieder zu unseren Komplizen werden, brauchen sie unsere Unterstützung. Die letzten Moore müssen unter absoluten Schutz gestellt, entwässerte Moore wieder vernässt werden. Dass das funktioniert, zeigen viele regionale Beispiele wie beim Blinklingmoos in Strobl oder beim Rottalmoos im Waldviertel. Diese Beispiele zeigen aber auch, das es für einen erfolgreichen Moorschutz neben einer Finanzierung vor allem Bürgerinnen und Bürger braucht, die sich vor Ort für „ihr Moor“ einsetzen. (Juliane Nagiller)

Klimaprognosen

ExxonMobil wusste schon lange und ziemlich genau Bescheid

Die Strategie ähnelt jener der Tabaklobby: So wie diese damals die Gesundheitsschäden des Rauchens jahrzehntelang heruntergespielt hat, verleugneten auch Ölkonzerne lange die Klimafolgen steigender CO2-Emissionen. Bereits 1977 wurde die Konzernleitung von ExxonMobil vor den Folgen der globalen Erwärmung gewarnt. Wie exakt diese Prognosen waren, die Forscher:innen damals im Auftrag des Mineralölkonzerns erstellten, belegt nun eine neue Analyse, die in der Fachzeitschrift Science veröffentlich wurde. Schon vor 50 Jahren berechneten die Wissenschafter:innen des Konzerns beispielsweise eine planetare Erhitzung von 0,2 Grad pro Jahrzehnt.

https://science.orf.at/stories/3217020/

Energiewende

Holpriger Ausstieg

Der Erdgaspreis liegt derzeit wieder auf demselben Niveau wie vor der russischen Invasion in der Ukraine. Das ist eher ein Ausreißer und keine Trendumkehr, analysiert Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur. Zwar ist Österreichs Versorgung für die laufende Heizperiode gesichert, langfristig muss Gas aber effizienter genutzt und eingespart werden, um weniger stark von importiertem Erdgas abhängig zu sein. Die weitere Preisentwicklung wird von vielen Unbekannten beeinflusst: von der Gasnachfrage in China, der Entwicklung des Ukraine-Kriegs und der Ausbaugeschwindigkeit erneuerbarer Energien.

https://orf.at/stories/3298743/

Kurz gemeldet:

Maria-Theresien-Straße, Marktplatz und das Klinik-Areal: Eine neue Klimaanalyse zeigt Innsbrucks Hitze-Hotspots, aber auch die Frischluft- und Kaltluftbahnen, die die Stadt kühlen könnten.

https://tirol.orf.at/stories/3189746/

Die Weltmeere waren 2022 so heiß wie noch nie zuvor in der Messgeschichte. Die Ozeane absorbieren rund 90 Prozent der überschüssigen Wärme, die durch Treibhausgase entsteht. Die Hitze im Meer hat verheerende Auswirkungen auf die marine Tier- und Pflanzenwelt.

Studie: 2022 brachte Temperaturrekord in Weltmeeren – news.ORF.at

Warum ist der Diskurs über die Klimakrise elitär?

Hörtipp I

Die Klimakrise ist nicht ganz gerecht. Sie wird just jene am meisten treffen, die sie am wenigsten verursacht haben, die Ärmsten. Paradoxerweise sind aber gerade die finanziell Schwächeren an der Diskussion um die Erderhitzung am wenigsten beteiligt. Der Klimadiskurs scheint fest in der Hand der gebildeten Mittelschicht. Lösungsvorschläge werden vielfach von den in Zukunft am meisten Betroffenen als Bedrohung empfunden. Woher diese Kluft kommt, dieser Frage ist diese Woche das RADIOKOLLEG in einer aufwändigen Reportage von Johanna Hirzberger nachgegangen.

https://oe1.orf.at/player/20230109/705521

Auto behalten. Oder tauschen?

Hörtipp II

Alte Autos gelten als technologisch veraltete Stinker. Aber macht es wirklich Sinn, sie aus Umweltgründen gegen ein neueres Modell zu tauschen? Selbst ein 20 Jahre altes Fahrzeug ist moderner als viele denken. MOMENT – NACHHALTIG LEBEN hat sich mit pro und contra Altfahrzeug auseinandergesetzt.

https://oe1.orf.at/player/20230110/705596

Plus 1,5 Grad schon in neun Jahren

Bei manchen Diskussionen, auch im privaten Umfeld, bin ich fassungslos, dass die Klimakrise noch immer als parteipolitisches Fronten-Hickhack im Stil von Simmering gegen Kapfenberg gesehen wird. Wenn es ein Thema gibt, das die ganze Welt, von Tuvalu bis Reichenau betrifft, dann ist es die Erderhitzung. Und die nimmt keine Rücksicht darauf, ob man grün, blau oder rot wählt.

Deutlich zeigt sich dies auch an den jüngsten Statistiken über die Sterbefälle in Folge der diesjährigen Hitzewellen. Mindestens 15.000 Menschen sind in Europa seit Jahresbeginn an der Hitze gestorben. Das verkündete Hans Kluge von der Weltgesundheitsorganisation WHO erst vor wenigen Tagen. 4.500 Todesfälle entfallen demnach auf Deutschland, fast 4.000 auf Spanien und mehr als 3.200 auf Großbritannien. Die Klimakrise hat also in jedem Fall Kleinstädte beziehungsweise große Gemeinden ausgerottet.

Die Prognosen für die Zukunft nehmen sich ähnlich düster aus. Machen wir auf dem jetzigen Weg weiter, leben wir im Jahr 2100 voraussichtlich mit durchschnittlich drei Grad mehr (in Europa werden es dann eher 5-6 Grad sein). Und bei diesem Szenario rechnet die WHO mit 90.000 Klimatoten pro Jahr auf unserem Kontinent.

Beschränken wir den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad, werden es noch immer 30.000 Menschen jährlich sein, die an den Folgen der Erwärmung sterben. (Wie wahrscheinlich dies ist und wie rasant wir diesen Wert erreichen werden, lesen Sie übrigens im ersten Beitrag dieses Newsletters.)

Gesundheitlich schlägt der Klimawandel auch bei den Allergikern ein. Wie die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie erst vor ein paar Tagen warnte, nehmen Asthma bronchiale und allergischer Schnupfen durch die erhöhten Temperaturen zu. Die Allergiesaison verlängert sich, die Pflanzen blühen heftiger, dadurch kommt es zu einer höheren Zahl von Pollen. Zusätzlich verändert die Luftverschmutzung die Oberfläche der Allergene und macht sie aggressiver, wie schon mehrfach gewarnt wurde.

Als Mensch, der mit Birken ob ihres Blütenstaubs auf Kriegsfuß steht, bin ich naturgemäß wenig begeistert von diesen Aussichten – ebensowenig von den Prognosen weiter unten im Newsletter, den Juliane Nagiller mit mir gestaltet hat.

Warnung vor bis zu 90.000 Hitzetoten jährlich in Europa – news.ORF.at

WHO: Seit Jahresbeginn 15.000 Hitzetote in Europa – news.ORF.at

Weltklimakonferenz: Klimaschutzpläne führen zu drei Grad plus – science.ORF.at

„Kein Anzeichen für einen Rückgang“

Rasanter Verbrauch unseres CO2-Budgets

Rund 40 Milliarden Tonnen CO2 werden dieses Jahr emittiert werden, das zeigt das diesjährige Global Carbon Budget. Damit wird die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf durchschnittlich 417,2 ppm steigen, 51 Prozent über dem vorindustriellen Niveau.

Zunehmen werden nicht nur die Emissionen aus der Ölverbrennung, was vor allem am Wiedererstarken des Flugverkehrs liegt, sondern auch jene aus der Kohleverfeuerung. „Eine besorgniserregende Entwicklung“, sagt der Nachhaltigkeitsforscher Jan Christoph Minx. Alle wissenschaftlichen Klimaschutzszenarien würden den Kohleausstieg an den Anfang stellen. Denn der Kohleausstieg sollte am leichtesten gelingen und bis 2030 nahezu abgeschlossen sein. Nun sehe man jedoch, dass auch das Einfache schwerfällt, so Minx. Zudem würden hohe Energiepreise die Suche nach neuen Gas- und Ölfeldern befeuern.

Mit sechs Prozent steigen die Emissionen dieses Jahr besonders stark in Indien – ein Land, das seinen Energiebedarf vorwiegend mit Kohle deckt. Indien ist aber auch ein Land, dessen pro Kopf-Emissionen bei nur einem Drittel dessen liegen, was in der EU pro Person ausgestoßen wird.

Sinken werden die Emissionen in China und in der EU – wobei der Rückgang in China auf den dortigen Einbruch der Bauwirtschaft zurückzuführen ist. Betrachtet man alle CO2-Emissionen seit der Industrialisierung, liegt China nur knapp hinter der EU – jedoch mit einem beträchtlichen Abstand zu Spitzenreiter USA – auf Platz drei.

Weltweit ist es dieses Jahr 24 Ländern gelungen, ihre CO2-Emissionen zu senken, obwohl ihre Wirtschaften gewachsen sind, darunter 15 EU-Länder. Diese Reduktionen reichen aber nicht aus, um die Erderwärmung einzudämmen. Nach derzeitigem Stand ist das CO2-Budget für das 1,5 Grad-Ziel bereits in neun Jahren verbraucht. (JN)

www.globalcarbonproject.org/carbonbudget

Zu wenig und falsch deklariert

Fadenscheinige Klima-Hilfsprojekte

Die Frage nach der Finanzierung der Klimafolgen steht im Zentrum der diesjährigen Klimaverhandlungen in Sharm El-Sheikh. Diese Geldfrage wird im Grunde schon seit den 1990er Jahren diskutiert. Bereits 1992 wurde in der UN Framework Convention on Climate Change festgehalten, dass die Industrieländer mehr Geld zur Verfügung stellen, um die Kosten, die in den Entwicklungsländern entstehen, zu decken.

Die Realität sieht jedoch anders aus, wie die Forschung der Pariser Wirtschaftswissenschaftlerin Basak Bayramoglu eindrücklich zeigt. Sie hat gemeinsam mit Kolleg:innen Klima-Hilfsprojekte analysiert, die als solche bei der OECD gemeldet wurden. Rund die Hälfte der analysierten Projekte hatte gar keinen Bezug zu Klimaschutz oder Klimawandelanpassung. Es brauche eine unabhängige Stelle, die die Angaben der Geberländer überprüfe, so die Wissenschaftlerin. Eine Forderung, die ebenso wie jene nach Geld, schon jahrelang gestellt wird. (JN)

https://science.orf.at/stories/3215973/

800 Millionen Arbeitsplätze von Klimawandel betroffen

Chancen durch Energiewende

Klimakrise und Energiewende werden ein Viertel aller Arbeitsplätze weltweit verändern. Das prognostiziert eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Deloitte, die diese Woche bei der COP27 in Sharm El-Sheikh präsentiert wurde. Demnach ist das Arbeitsplatzrisiko im afro-asiatischen Raum am größten. 40% der Beschäftigten arbeiten dort in besonders betroffenen Branchen wie Energiewirtschaft, Bergbau, Industrie, Baugewerbe oder in der Landwirtschaft, die durch Extremwetter sehr gefährdet ist.

Umgekehrt könnte die Bekämpfung der Erderhitzung durch Dekarbonisierung auch Arbeitsplätze schaffen: Laut Deloitte würde die aktive Umgestaltung des Energiesystems bis 2050 mehr als 300 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze bringen, „davon 21 Millionen in Europa, 180 Millionen in Asien-Pazifik, 75 Millionen in Afrika und 26 Millionen in Amerika“, so Deloitte-Klimaexperte Bernhard Lorentz.

Studie: Klimakrise trifft Viertel aller Arbeitsplätze – news.ORF.at

Kurz gemeldet

Die EU hat ihre Klimaziele für 2030 nachgeschärft. So wurde etwa das CO2-Reduktionsziel für Deutschland von 38 Prozent auf 50 Prozent angehoben. Österreich soll den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent senken, statt bisher 36 Prozent.

https://www.orf.at/#/stories/3293015/

Schafnase, Breitarsch, Kronprinz Rudolf

Hörtipp

Fast alle modernen Apfelsorten der letzten 90 Jahre stammen von sechs Stammsorten ab, darunter Golden Delicious, Cox Orange oder James Grieve. Letztendlich sind es diese Züchtungen, die in den Supermarktregalen landen. Sie haben aber aufgrund der nur wenigen „Stamm-Eltern“ zunehmend Vitalitätsprobleme, wie etwa die Anfälligkeit für Schorf bei der beliebten Sorte Topaz.

Tatsächlich gibt es in Österreich rund 1.000 Apfelsorten, die vielfach nicht einmal die Baumbesitzer kennen. Sie tragen so klingende Namen wie Schafnase, Berlepsch, Gravensteiner oder Luisenapfel. Und sie sind es auch geschmacklich wert, wiederentdeckt zu werden.

Die DIMENSIONEN zeigen, wie reglementiert etwa der Anbau der „Clubsorte“ Pink Lady im Vergleich zum „freien“ Obstbau ist.

Schafnase, Breitarsch, Kronprinz Rudolf, 07.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Lesetipp: Arche Noah-Artikel zu modernen und alten Apfelsorten

„Wandel“ oder „Krise“? Klimabildung an Schulen

Hörtipp

In den Lehrplänen ist die Klimakrise ein Randthema. Wieviel Schüler:innen über das Thema erfahren, hängt von den Lehrkräften ab. Dabei bietet fast jeder Gegenstand die Möglichkeit, über das Klima zu reden oder es einzubinden. MOMENT zeigt in einer Reportage aus zwei sehr klimabewussten Schulen im Waldviertel und in Wien, wie dort im Unterricht über die Erderwärmung gesprochen wird.

„Wandel“ oder „Krise“? Klimabildung an Schulen, 08.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Der Rhonegletscher verabschiedet sich

Hörtipp

Seit dem 19. Jahrhundert wird am Schweizerischen Rhonegletscher jedes Jahr eine Eisgrotte in den Gletscher geschlagen. Möglich ist diese Touristenattraktion nur noch, weil das Eis mit Textilplanen vor dem Schmelzen geschützt wird. 

Die Alpengletscher schrumpfen in atemberaubendem Tempo. Wie das JOURNAL PANORAMA zeigt, geht innerhalb eines Monats teilweise ein Meter Eis am Rhonegletscher verloren. Der Gletscherforscher Matthias Huss nennt seine Arbeit dort manchmal „Sterbebegleitung“. Mit den Gletschern verschwindet einerseits ein Wasserspeicher, andererseits werden damit auch Berge instabil, wie etwa das Unglück auf der Marmolata andernorts gezeigt hat.

Der Rhonegletscher verabschiedet sich, 08.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Klimaschutz = Naturschutz = Armutsbekämpfung

Und wieder liegt eine Murmeltierwoche hinter uns – mit der Wiederholung von Dingen, die wir schon oft gehört haben, die aber nicht oft genug gesagt werden können: Klimaschutz ist auch Armutsbekämpfung und Naturschutz. Die jüngsten Berichte des Weltklimarates haben auf diesen Zusammenhang hingewiesen, und diese Woche tun es auch Berichte des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung PIK und des WWF zusammen mit dem Roten Kreuz.

„Klimafolgen wie etwa Wetterextreme oder Folgen der Naturzerstörung erhöhen zum Beispiel die Risiken für die Landwirtschaft, also für die Einkommen der Bäuerinnen und Bauern, für die Lebensmittelpreise, und letztlich für die Ernährung und Gesundheit aller“, sagt Björn Sörgel vom PIK. Umgekehrt machen eine gesunde Artenvielfalt und eine nachhaltige Bewirtschaftung die Lebensräume resilienter gegen klimatische Veränderungen.

„Gezielte Maßnahmen zum Schutz der Natur können klimabedingte Katastrophen um über ein Viertel verringern. Das würde nicht nur unzählige Menschenleben retten, sondern gerade in den ärmsten Regionen der Welt Schäden in Milliardenhöhe verhindern”, wie auch WWF-Programmleiterin Hanna Simons betont.

So sieht das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung die UN-Nachhaltigkeitsziele untrennbar mit den Pariser Klimazielen verbunden sowie mit den 2010 beschlossenen Aichi-Biodiversitätszielen. In keinem der drei Bereiche ist die internationale Staatengemeinschaft auf Kurs, um die Ziele auch tatsächlich zu erreichen.

Wie schon öfter angemerkt, gilt: Je reicher eine Gesellschaft bzw. eine Personengruppe innerhalb einer Gemeinschaft, umso mehr Klimaschäden richtet sie an. Begüterte fliegen etwa weitaus mehr als Menschen mit wenig finanziellem Spielraum. Deshalb verlangt der Klimaschutz auch nach Umverteilung: Als wichtiges Mittel der Umverteilung nennt das PIK eine CO2-Emissionsabgabe. Sie könnte an jene gehen, die treibhausgassparsam leben.

Aber selbst eine Bepreisung von Kohlendioxid ist keine Generallösung: Während Indien laut PIK damit einen Großteil der Mittel aufbringen könnte, die für das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele (u.a. Abschaffung von Armut und Hunger oder das Bereitstellen von leistbarer und sauberer Energie) nötig sind, wird Afrika dafür Milliardenhilfen brauchen.

Und so meint auch PIK Direktor Ottmar Edenhofer: „Es ist halt leider nichts kostenlos. Entweder wir zahlen weiterhin für die Schäden an Klima und Natur, und damit letztendlich auch für menschliches Leid. Oder wir zahlen für die Lösungen.“

PIK-Policy Paper: “Joint implementation of the Sustainable Development Goals, climate change mitigation and biosphere protection: Policy options for tackling multiple crises simultaneously”

WWF-Report: “Working with Nature to Protect People: How Nature-based Solutions Reduce Climate Change and Weather-Related Disasters”

G7 verabschieden sich von Kohlestrom

Energiewende I

Die größten Industrienationen der Welt (u.a. Deutschland, Frankreich und die USA) wollen bis 2035 Strom weitgehend CO2-frei erzeugen. Damit verbunden ist ein Ausstieg aus Kohlekraftwerken. Darauf haben sich die G7 in Berlin geeinigt. Auch ineffiziente und klimaschädliche Subventionen für fossile Energien sollen bis 2025 auslaufen.

Ambitioniert sind die Ziele auch beim Methan, das als etwa 25mal so klimaschädlich gilt wie Kohlendioxid. Sein Ausstoß (er kommt vor allem aus der Tierhaltung) soll weltweit bis 2030 um 34% sinken.

Die G7 haben sich auch darauf geeinigt, ärmere Länder bei der Energiewende und den Folgen der Erderwärmung zu unterstützen. Die Gelder, die Entwicklungsländer für die Anpassung an den Klimawandel erhalten, sollen bis 2025 gegenüber 2019 mindestens verdoppelt werden.

Als nächsten Schritt wollen die G7 die G20 ins Boot holen. Die G20-Staatengruppe verursacht 80% der weltweiten Emissionen.

Quelle: APA

Noch mehr Photovoltaikförderung

Energiewende II

Die Förderung für Photovoltaik wird um 40 Millionen Euro aufgestockt. Das hat das Klimaschutzministerium diese Woche bekanntgegeben. Mit den 40 Millionen der ersten Förderrunde wurden 11.000 PV-Anlagen unterstützt. Für die zweite Förderrunde ab 21. Juni stehen nach der Erhöhung 60 Millionen Euro zur Verfügung.

https://www.orf.at/#/stories/3268993/

Photovoltaikförderungen-Österreich

Der schwierige Weg zu nachhaltigem Kerosin

Energiewende III

Der Anteil der Flugbranche am CO2-Ausstoß der EU wird auf rund 3,8 Prozent geschätzt. Als Hoffnungsträger für „grüneres“ Fliegen gelten Sustainable Aviation Fuels (SAFs). Sie können beispielsweise aus gebrauchtem Speiseöl und Altfetten hergestellt werden.

Bereits in drei Jahren sollen alle EU-Staaten zumindest 2% des Kerosins durch SAFs ersetzen. Größere Mengen des nachhaltigeren Flugbenzins sind allerdings auch noch nicht verfügbar. Und zudem ist es fünf- bis neunmal so teuer wie das (nicht-besteuerte) fossile Kerosin.

Zum Klimawandel trägt übrigens nicht nur der enorme CO2-Ausstoß der Flugzeuge bei, sondern auch die Bildung von Kondensstreifen. Sie führen zur Bildung von Wolken, die wiederum zur planetaren Aufheizung beitragen.

https://orf.at/stories/3266129/

Kurz gemeldet

Die Stadt Paris will in ihren 1.300 Kantinen künftig an zwei Tagen pro Woche ausschließlich vegetarische Mahlzeiten servieren. Darüber hinaus sieht der Ernährungsplan des Stadtrats bis 2027 nur mehr nachhaltige Gerichte in den Pariser Krippen, Schulen, Altersheimen und kommunalen Betrieben vor.

https://www.orf.at/#/stories/3268961/

Knappes Holz

Hörtipp

Bäume formen unsere Landschaft, Holz unsere Kultur – vom Bauen bis zum Heizen. Dabei ist Holz weitaus mehr als ein Rohstoff für Gebäude und Energie. Es ist eine wertvolle Faser, für die sich mittlerweile viele Industriezweige interessieren. Wald ist auch ein riesiger Kohlenstoffspeicher und Teil der grünen Lunge dieses Planeten – und vielleicht auch deshalb viel zu schade zum Verbrennen, dauert es doch Jahrzehnte, bis ein neuer Baum nachgewachsen ist. Gleichzeitig wird der Rohstoff immer knapper. Was Europa nicht selbst decken kann und importieren muss, holzt man andernorts ab. Ein RADIOKOLLEG über eine unterschätzte und rarer werdende nachwachsende Ressource.

Wirtschaft – oe1.ORF.at

Wärmere Ozeane sind lauter

  1. April 2022

Der Mensch kann schlecht mit Unsicherheit umgehen. Wir lieben Gewissheiten. Die können uns aber nur Religionen geben, so fragwürdig auch immer sie sein mögen. Zu den zentralen Spielregeln der Wissenschaft hingegen gehört, dass ihre Erkenntnisse immer widerlegbar sein müssen – und manchmal auch widerlegt werden. Manche rechnen ihr das als Schwäche an. Dabei ist das genau die Stärke der Wissenschaft.

Auch in der Klimaforschung haben sich manche Voraussagen verändert. Leider nicht unbedingt in jene Richtung, die zu unserer Entspannung beitragen würden. Bereits 2001 wurde im 3. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC die Möglichkeit von Kipppunkten in unserer Atmosphäre und unseren Ökosystemen angesprochen – das sind jene Momente, ab denen ein Ereignis wie das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes unumkehrbar wird.

2008 hat der deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber mehr als ein Dutzend solcher tipping points aufgrund der Erderwärmung publiziert. Dazu gehört etwa der Zusammenbruch der Nordatlantischen Umwälzströmung. Sie hat sich schon jetzt um 15% verlangsamt. Bleibt dieses gigantische Energieförderband stehen, kommt es im nordatlantischen Raum zu einer dramatischen Abkühlung. Durch die Erderwärmung könnte auch der Indische Monsun destabilisiert werden. Das hätte mehr Dürren und Flutkatastrophen zur Folge, um nur zwei Beispiele zu nennen.

2019 haben Schellnhuber und seine Kolleg:innen ihre Prognosen revidiert und gewarnt, dass die Kipppunkte wahrscheinlicher und zeitlich näher sein könnten, als zuvor angenommen. Ging man vor zwei Jahrzehnten noch davon aus, dass sie erst bei einer globalen Erwärmung von 5 Grad auftreten, gelten manche Kipppunkte auch schon bei einem Temperaturanstieg von 1 bis 2 Grad als wahrscheinlich. Und wie vor einigen Wochen erwähnt, stehen wir momentan bei einer durchschnittlichen Erderwärmung von 1,1 Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Amundsen See-Einbuchtung in der Westantarktis könnte diesen point of no return bereits überschritten haben. Und auch für das Grönländische Eisschild könnte der irreversible Abschmelzprozess schon bei 1,5 Grad Erwärmung starten – möglicherweise in den 2030er-Jahren. Vom Auftauen der Permafrostböden haben wir ja erst vor kurzem im Ö1 Klima-Newsletter berichtet.

Insofern ist das Paris-Ziel von 1,5 Grad nicht der sichere Klima-Hafen, wie viele meinen, sondern nur ein Zielwert zur Schadensminimierung. In Wahrheit zählt jedes Zehntel Grad, das wir vermeiden können.

Wärmer Ozeane sind lauter

Biodiversität

Steigt die Temperatur in den Meeren, können sich die Schallwellen schneller ausbreiten. In der arktischen Barent See oder im nordwestlichen Pazifik ist die Schallgeschwindigkeit in einer Tiefe von 50 Metern bereits um ein Prozent gestiegen, wie eine kanadische Studie zeigt. Gleiches gilt für die Arktis, den Golf von Mexiko oder die südliche Karibik 500 Meter unter der Wasseroberfläche. Für die Meerestiere wird sich damit die Kommunikation möglicherweise folgenschwer wandeln. „Die Veränderung der Schallgeschwindigkeit beeinflusst auch ihre Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme, das Paarungsverhalten oder die Flucht vor Räubern“, so die Autoren.

Warming oceans are getting louder – AGU Newsroom

Riesiger Eisberg abgebrochen

Ostantarktis

Bereits Mitte März dürfte sich ein Eiskoloss in der Größe Roms vom Festland der östlichen Antarktis gelöst haben.  Die NASA-Expertin Catherine Colello Walker beschrieb die Ablösung des sog. Conger Eisschelfs im Guardian als „einen der bedeutsamsten Abbrüche in der Antarktis seit den frühen 2000er Jahren“ und als „Anzeichen für das, was kommen mag.“

Im Gegensatz zur Westantarktis ist ein Abschmelzen der Ostantarktis zwar unwahrscheinlicher. Aber auch hier könnte durch punktuelle Ereignisse ein nicht mehr zu stoppender Eisverlust in Gang gesetzt werden – mit einem langfristigen Meeresspiegelanstieg von 3-4 Metern.

Riesiger Eisberg in östlicher Antarktis abgebrochen – science.ORF.at

Wie Gas in der Industrie ersetzen?

Energiewende

8,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht Österreich pro Jahr. Mehr als 70 Prozent davon gehen in die Industrie, einerseits als Energieträger, andererseits auch als Rohstoff für chemische Produkte oder Düngemittel. Der größte Verbraucher ist der Chemiesektor, gefolgt von der Papier- und Zellstoffproduktion und der Stahlindustrie. In einigen Bereichen, etwa der Lebensmittelindustrie, könnten Trocknungsprozesse statt mit Gas über Biomasse betrieben werden. Auch in der Stahlindustrie seien Verfahren mit Strom statt Gas möglich, allerdings mit einer Umstellungszeit von 10-15 Jahren, so Ilse Schindler vom Umweltbundesamt in Wien.

Weniger Erdgas: Wie der Energiewechsel funktionieren könnte – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Australischen Forscherinnen ist es gelungen, hitzetolerantere Korallen zu züchten. Am Great Barrier Reef hat gerade wieder eine temperaturbedingte Korallenbleiche eingesetzt.

Ökologie: Hitzetolerante Korallen am Great Barrier Reef – science.ORF.at

Podcast NACHHALTIG LEBEN

TIPP

Jeden zweiten Freitag fragt Ruth Hosp in der Sendung NACHHALTIG LEBEN (11.55 Uhr), wie ein ökologisch verträglicher Lebensstil aussehen könnte. Es geht um „grünes“ Reisen genauso wie um den Ausstieg aus der ressourcenverschlingenden „Fast Fashion“. NACHHALTIG LEBEN ist auch als Podcast abonnierbar.

https://radiothek.orf.at/podcasts/oe1/oe1-nachhaltig-leben

Sendungen zum Thema aus dem gesamten Ö1-Angebot, von DIMENSIONEN über MOMENT bis zum RADIOKOLLEG sind dauerhaft unter https://oe1.orf.at/nachhaltigleben nachhörbar.

Der Klimawandel zerstört Gesundheit und Gemeinschaften

Als Pollenallergiker, der die warmen Jahreszeiten liebt, sieht man dem kommenden Frühling mit gemischten Gefühlen entgegen. Eindeutig negative Gefühle ruft die Ankündigung hervor, dass die Birken, diese „Gfrastsackln“, heuer noch früher ihre Pollen über große Teile Österreichs verstreuen und bei dem einen oder anderen nicht nur zu tränenden Augen, sondern zu regelrechter Atemnot führen werden.

Die Erderwärmung verlängert insgesamt die Pollenzeit über das Jahr noch – von der Haselblüte bis zum vermaledeiten Ragweed. Aber der Klimawandel wird nicht nur die Allergiker treffen. Auch sonst verändert er medizinisch einiges. Der britische Epidemiologe Andy Haines befürchtet etwa eine Zunahme von Todesfällen bei älteren Personen, aber auch mehr Krankheiten durch eingewanderte Krankheitserreger – zum Beispiel durch Malaria oder Dengue. „Der Klimawandel ist für die menschliche Gesundheit wahrscheinlich die größte Gefahr in diesem Jahrhundert“, wie Haines kürzlich bei einer OECD-Veranstaltung sagte.

Die Wirkweisen sind manchmal sehr verschlungen: So dürfte die Erderwärmung auch Alzheimer befördern, das wiederum von Feinstaub negativ beeinflusst wird. Feinstaub entsteht bei den zunehmenden Waldbränden, aber natürlich vor allem durch die Verbrennung fossiler Energieträger, sodass sich letztendlich ein für die menschliche Gesundheit nicht zuträglicher Wirkungsbogen schließt.

Schnell wechselnde Wetterlagen wiederum belasten Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen, weil sie eine „eine erhöhte Anpassungsleistung des Organismus“ erfordern, wie das Climate Change Center Austria (CCCA) in einer Broschüre schreibt.

Der Klimawandel hat aber auch die Kraft, ganze Gesellschaften zu verändern, wie Sie gleich am Beginn dieses Newsletters lesen werden.

Erderwärmung zerstört Gemeinschaften

Afrika

Somalia erlebt die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. In den vergangen zwei Monaten sind 700.000 Nutztiere verendet. 8 Millionen Menschen sind mittlerweile auf Hilfe angewiesen. Viele von ihnen verlassen auf der Suche nach Wasser und Essen ihre Heimat, so Walter Mawere von der Hilfsorganisation CARE.

Naturkatastrophen treffen verstärkt Frauen. Wenn die Lebensgrundlagen verloren gehen, so wie nach einem Zyklon 2019 in Malawi, spart man(n) das Schulgeld für die Mädchen ein, bürdet den Frauen mehr Hausarbeit auf und schickt sie kilometerweit zur nächsten Wasserstelle.

Alle rasanten Veränderungen zusammen führen zu neuen Verteilungskämpfen und sozialem Chaos, so Mawere.

Somalia: Klimawandel zerstört Gesellschaften – science.ORF.at

Klimawandel lässt Wald brennen

UNO-Bericht

Nicht jede Waldbrandkatastrophe wie etwa jene 2019/ 2020 in Australien ist eine direkte Folge der Erderwärmung. Aber die Bedingungen, die solche Brände möglich machen, werden häufiger, besagt ein neuer UNO-Report. Demnach wird die Zahl schwerer Waldbrände bis 2030 selbst bei Einhaltung des 2 Grad-Ziels um 14 Prozent steigen. Bis Ende des Jahrhunderts pendeln die Schätzungen zwischen 31 und 52 Prozent.

Im Bericht in Zusammenarbeit mit dem norwegischen Umwelt-Institut GRID-Arendal wurden nur Waldbrände modelliert, die in der Theorie einmal pro 100 Jahre vorkommen. Die WissenschafterInnen befürchten allerdings, dass auch kleinere Brände im selben Ausmaß zunehmen könnten.

Bei den enormen Waldbränden in Australien wurden laut UNO-Report fast drei Milliarden Säugetiere, Reptilien, Vögel und Amphibien getötet oder verletzt.

UNO-Bericht: Extreme Waldbrände werden deutlich zunehmen – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Durch die zahlreichen BesucherInnen wird die Antarktis zunehmend mit Ruß verschmutzt. Das beschleunigt die Schmelze des Eisschildes.

Antarktis: Mehr Ruß beschleunigt Schneeschmelze – science.ORF.at

Energiewende

Hörtipp

Österreich verbraucht doppelt so viel Energie wie der Weltdurchschnitt. Gleichzeitig ist die Energiewirtschaft für rund drei Viertel aller Treibhausgase verantwortlich. Wir müssen unsere klimaschädlichen Emissionen also reduzieren, um den Planeten nicht zu überhitzen. Auch wenn zum Beispiel Wind und Sonne im Übermaß vorhanden sind: Der Umstieg auf eine nachhaltige Energieerzeugung geht nicht schlagartig. Und es wird auch nicht ohne eine Steigerung der Energieeffizienz gehen. Ein RADIOKOLLEG von Juliane Nagiller über den holprigen Ausstieg aus dem fossilen Zeitalter.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/wirtschaft

Nachhaltig leben

Tipp

In Ö1 zieht sich das Thema „Nachhaltigkeit“ seit langem durch viele Sendereihen. Ab sofort bündeln wir die zahlreichen Beiträge für ein nachhaltiges Leben in einem dauerhaft verfügbaren Dossier auf einer Website:

http://oe1.ORF.at/nachhaltigleben

Sortiert nach Ökologie, Soziales und Wirtschaft wächst so ein Archiv der Nachhaltigkeit, das uns in die Zukunft begleiten soll. Wer wissen möchte, ob uns Elektromobilität von allen Klima- und Verkehrsproblemen befreit, wird dort ebenso fündig werden wie jene, die nach ökologisch verträglicher Mode fragen.