Ich habe mir im Sommer die Mühe gemacht, unterschiedlichste Prognosen aus den bislang sechs Sachstandsberichten des Weltklimarats IPCC zusammen zu suchen. Und dabei hat sich ein Eindruck bestätigt, den ich seit langem hatte: dass nämlich alle Voraussagen des IPCC sehr zurückhaltend, vorsichtig und manchmal sogar untertreibend bis zur Verharmlosung sind. So prognostizierte der erste Sachstandsbericht von 1990 bei einem „Weiter-wie-bisher“-Szenario einen Temperaturanstieg von etwa 1°C bis 2025 im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Tatsächlich stehen wir bei rund 1,5°C.
Der zweite Sachstandsbericht (1995) sprach von einer globalen Erwärmung von rund 2°C bis zum Jahr 2100, bei einer Bandbreite von 1 – 3,5°C.
Im dritten Sachstandsbericht von 2001 lag die Erwärmung bis zum Ende dieses Jahrhunderts bereits auf einer Bandbreite zwischen 1,4 und 5,8°C. Ähnlich geht es in den weiteren drei Berichten weiter, auch in Sachen Meeresspiegelanstieg, aber ich will Sie nicht mit einem Zahlenwust überfrachten.
Nun kann man die Ungenauigkeit der Prognosen auch positiv sehen: Sie spiegeln die Weiterentwicklung der Klimamodelle wider, aber auch einen wissenschaftlichen Zugang, der unnötigen Alarmismus vermeidet und seine eigenen Ungewissheiten verantwortungsvoll abbildet.
Insofern überrascht es auch nicht, dass das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK bei anhaltend hohen Emissionen nun auch vor einem Zusammenbruch der nordatlantischen Umwälzströmung AMOC nach dem Jahr 2100 warnt. Diese Strömung transportiert Wärme Richtung Norden, während in der Tiefe kaltes Wasser Richtung Äquator fließt. AMOC ist für das milde europäische Klima verantwortlich. Bricht diese Klimamaschine zusammen, kommt es in Nordwesteuropa zu extremen Wintern und zu noch mehr Trockenheit im Sommer. Der Kipppunkt für eine drastische Verlangsamung der Umwälzströmung könnte schon Mitte des Jahrhunderts erreicht sein. Laut Stefan Rahmstorf vom PIK „unterschätzen die Standardmodelle das Risiko vermutlich“, u.a. weil sie das Abschmelzen des grönländischen Gletschers und damit den Süßwassereintrag zu wenig berücksichtigen.
Wir befinden uns also in einem riesigen Klimaexperiment. Die Versuchskaninchen sind wir selbst. Und der Ausgang ist trotz aller intelligenten Modelle ungewiss, vor allem, wenn wir auf dem bisherigen Emissionspfad weiter gehen.
Aber zumindest am Beginn der Meldungen habe ich auch gute Nachrichten für Sie.
Studie: Shutdown of northern Atlantic overturning after 2100
Ozonschicht erholt sich
Entgegen den Befürchtungen von Fachleuten wird sich die Ozonschicht über der Antarktis bis 2060/ 2070 vollständig erholen. Das zeigt ein Forschungsteam mit Beteiligung Grazer Wissenschafter.
Entdeckt wurde das Ozonloch über der Antarktis 1985. Verursacht hatten es Flur-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKWs), die 1987 verboten wurden.
Das Ozon in der Stratosphäre, 15 bis 30 Kilometer über der Erdoberfläche schützt die Erde, vom Menschen bis zum Plankton im Meer, vor der schädlichen UV-Strahlung. Die Ozonschicht wirkt aber auch beim Klima mit, weil sie atmosphärische Zirkulation der südlichen Hemisphäre beeinflusst und somit auch das Wetter und das Klima in anderen Regionen verändern kann.
Nach Zweifeln: Ozonschicht erholt sich doch – science.ORF.at
Gletscher ade, aber die Wasserversorgung ist sicher
Die Masse von Österreichs Gletschern wird sich in den nächsten 20 Jahren halbieren. Für die Trinkwasser- und Energieversorgung ist das allerdings kein Problem. Die schmelzenden Gletscher gleichen nämlich die längeren Trockenphasen aus, die mit dem Klimawandel einher gehen, sodass manche Flüsse wie die Ötz derzeit im Sommer mehr Wasser führen als früher.
Ende des Jahrhunderts dürften jedoch alle österreichischen Gletscher verschwunden sein.
Etwas schneller wird es den Hallstätter Gletscher treffen. Er dürfte schon 2030 Geschichte sein.
Wie rasch sich die Eismassen verflüchtigen, zeigt sich auch an der Verbindung zwischen Hallstätter und Schladminger Gletscher. Während österreichische Karten noch ein 400 Meter breites Band aus ewigem Eis ausweisen, schrumpfte der Schneeweg bis Mitte August auf eine Breite von zwei Meter. Das bringt nicht nur einer Hütte Probleme, sondern dem Tourismus auf dem Dachstein insgesamt.
Geradezu gigantisch mutet der Gletscherverlust im norwegischen Spitzbergen an. Dort schmolzen im Vorjahr rund 61 Gigatonnen ab. Dieser Verlust führte samt den Schmelzprozessen in der umliegenden Barentsee zu einem Meeresspiegelanstieg von rund 0,3 Millimeter, innerhalb nur eines Jahres.
Gletscherschmelze: Heimische Wasserversorgung vorerst gesichert – science.ORF.at
Jetzt geht’s um Anpassung
Leben mit dem Klimawandel
Im Vorjahr ist die mittlere Erdtemperatur erstmals über das Pariser Klimaziel von 1,5 Grad Celsius gestiegen. Und der Anstieg wird in den nächsten Jahrzehnten aller Voraussicht nach voranschreiten. Deshalb plädieren viele dafür, sich stärker mit der Anpassung an die Erwärmung zu beschäftigen. Über entsprechende Szenarien haben WissenschafterInnen diese Woche auch in Laxenburg diskutiert. Es gehe trotzdem nicht darum, das Klimaziel aufzugeben, sondern um die Frage, wie wir nach einem overshoot die Temperatur wieder auf rund 1,5 Grad drücken können. IIASA-Direktor Hans Joachim Schellnhuber plädiert etwa für eine verstärkte Nutzung von Holz als CO2-Speicher. „Die beste Maschine, die erfunden wurde, um CO2 aus der Atmosphäre herauszufiltern, ist der Baum“, so Schellnhuber. Verstärkte Verwendung von Holz zum Bauen etwa könnte Kohlendioxid langfristig binden. Weil der Regen mit jedem Zehntelgrad an Intensität zunimmt, gehe es auch darum, die Böden zu entsiegeln, damit der Starkregen versickern kann.
https://science.orf.at/stories/3232249
Kurz gemeldet
Von 2001 bis 2024 ist die Erde deutlich dunkler geworden ist. Damit reflektiert sie auch weniger Sonnenlicht und heizt sich stärker auf.
Albedo: Erde reflektiert weniger Sonnenlicht – science.ORF.at
Laut einem Bericht des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung hat die Erde sieben von neun kritischen Belastungsgrenzen überschritten – eine mehr als im Vorjahr.
Planet Erde: Sieben von neun Belastungsgrenzen überschritten – science.ORF.at
Hörtipp
Künstliche Intelligenz und Klima
Künstliche Intelligenz und ihre Rechenzentren verschlingen große Mengen Strom. Der aktuelle Nachhaltigkeitsbericht des Tech-Riesen Google zeigt zum Beispiel, dass KI den CO2-Abdruck des Unternehmens wieder stark wachsen lässt. Eine schöne CO2-neutrale Bilanz geht sich für viele Tech-Unternehmen trotzdem aus, weil sie Kompensationszertifikate kaufen. Diese Zertifikate sind umstritten, denn meist wird bei diesen Klimaschutzprojekten weniger Kohlendioxid eingespart als angenommen.
MATRIX hat sich angesehen, was wir über den Ressourcenverbrauch von KI wissen, wie die Tech-Konzerne bei ihren Nachhaltigkeitsberichten tricksen und wie die Firmen umweltbewusster werden könnten.