Schlagwort: Amazonas

Könnte kippen

Ich bin zu meinem eigenen Erstaunen ein ziemlich großer Optimist (geworden). Deshalb glaube ich auch, dass dieser Planet sehr viel aushält und Menschen selbst riesige Veränderungen bewältigen können. Manchmal wird man aber dann doch daran erinnert, wie labil vermeintlich stabile Zustände sein können.

Diese Woche war viel von Kipppunkten die Rede – in Bezug auf den Amazonas genauso wie – noch etwas spektakulärer – punkto Golfstrom. Er ist als Teil der atlantischen Umwälzströmung auch ein Teil der europäischen Wettermaschine. Kommt diese Umwälzströmung zum Stillstand, kühlen Mittel- und Nordeuropa dramatisch ab. Für Wien wurde eine Senkung der Durchschnittstemperatur um 4 Grad prognostiziert.

Die Umwälzströmung transportiert warmes, salzhaltiges Wasser Richtung Arktis und salzärmeres, kaltes Wasser am Boden des Atlantiks zurück Richtung Äquator. Ohne Golfstrom verliert Europa sein gemäßigtes Klima, mit Winterstürmen in Großbritannien oder Hitzewellen in Südeuropa. Durch die globale Erwärmung hat sich die Umwälzströmung bereits verlangsamt. Simulationen von niederländischen ForscherInnen haben nun gezeigt, dass diese „Wärmepumpe“ schon in den nächsten Jahren zum Stillstand kommen könnte. Sie bestätigen damit eine (umstrittene) Studie aus dem Vorjahr. Mehr dazu auch im Hörtipp am Ende des Newsletters.

Ähnliches prognostizieren WissenschafterInnen in einer Nature-Veröffentlichung auch für das Amazonas-System. Es dient nicht zuletzt als massiver Kohlenstoff-Speicher. Verliert der Amazonas-Regenwald diese Funktion, emittiert er große Mengen an gespeichertem CO2 und heizt die Erderwärmung zusätzlich an. Nach neuesten Berechnungen könnte er schon 2050 kippen.

Aber noch heißt es vorsichtig „könnte“. Und damit bleibt uns Zeit, unsere „fossile Gier“ mit all ihren Folgen zu drosseln und gar nicht erst an die unumkehrbaren Kipppunkte zu rühren.

EU: Große Renaturierungen geplant

„Verordnung zur Wiederherstellung der Natur“

Um stark in Mitleidenschaft gezogene Lebensräume zu restaurieren, will die EU unter anderem 25.000 Flusskilometer bis 2030 in einen frei fließenden Zustand zurückversetzen. Im November hat der Umweltausschuss dem Gesetzestext zugestimmt, ein formeller Beschluss soll in den nächsten Wochen fallen.

Für Österreich sieht Thomas Hein von der BOKU in Wien einen sehr hohen „Bedarf, die Flüsse zu renaturieren. Mehr als die Hälfte davon sind in keinem guten Zustand.“ Sie sind vielfach von ihren Auen getrennt, weshalb mehr als die Hälfte der Fischarten einen hohen oder sehr hohen Gefährdungsstatus aufweisen.

Insgesamt schreiben Hein und Kollegen, dass die Wiederherstellung von zusätzlichen 25.000 Kilometern frei fließender Flüsse allein nicht ausreichen werde, um den Rückgang der Artenvielfalt von Süßwasser-Lebewesen in Europa aufzuhalten. Sie fordern, dass sich die Renaturierung auf Gebiete konzentrieren solle, „in denen die Wiederherstellung die größten positiven Effekte für die Ökologie, Biodiversität und Ökosystemleistungen hat.“

Flüsse: Forscher fordern konkrete Pläne für Renaturierung – science.ORF.at

Knappes Trinkwasser durch Verschmutzung

Stickstoffdünger und Verstädterung

Speziell Mitteleuropa kennt kaum Wassermangel. Die Alpen sind ein schier unerschöpflich wirkender Wasserlieferant. Aber die Menge an Wasser täuscht darüber hinweg, dass das tatsächlich verfügbare Trinkwasser durch Verschmutzung zunehmend reduziert wird. Speziell landwirtschaftlicher Dünger und die zunehmende Verstädterung beschädigen das Trinkwasser. In einer Analyse von 10.000 Wassereinzugsgebieten haben Forschende der Universität Wageningen gezeigt, dass die Zahl der Gebiete mit Wassermangel von 984 im Jahr 2010 bis zum Jahr 2050 auf 2.517 steigen wird. Im schlimmsten Fall könnten Mitte des Jahrhunderts 3 Milliarden Menschen von Trinkwasserknappheit betroffen sein.

Ressourcen: Wasserverschmutzung führt zu Knappheit – science.ORF.at

Wandernde Tierarten in Gefahr

Lebensbedrohliche Barrieren für Gnu, Seidenhai oder Kiebitz

Bei 44% der wandernden Tierarten – dazu gehört der Monarchfalter genauso wie die Saiga-Antilope – nimmt der Bestand ab. Das zeigt ein neuer UNO-Bericht anlässlich der UNO-Konferenz zum Schutz wandernder Arten in Samarkand. Ein Fünftel der untersuchten Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Als Grund nennt der Bericht die übermäßige Ausbeutung durch Jagd und Fischerei, die Zerstörung von Lebensräumen und auch die fortschreitenden Auswirkungen der Klimakrise. Außerdem versperren Straßen, Bauwerke oder der Schiffsverkehr zunehmend die lebensnotwendigen Wanderrouten der Tiere, sodass sie nicht mehr an ihre Fortpflanzungs- und Futterplätze kommen. Vor allem Fische – darunter auch mehr als die Hälfte der im Mittelmeer vorkommenden Hai- und Rochenarten – sind bedroht, u.a. durch Fangnetze und Plastikmüll.

UNO-Bericht: Wandernde Tierarten zunehmend in Gefahr – science.ORF.at

Tipps

Klima-Jugenddelegierte für die COP29 und COP30 gesucht!

Wer zwischen 18 und 26 Jahre alt ist und für Klimapolitik brennt, kann sich für die Teilnahme bei den nächsten 2 UN-Klimakonferenzen bewerben und so die österreichische Jugend vertreten.

Die UN-Jugenddelegierten nehmen gemeinsam mit der österreichischen Delegation an der COP29 in Baku in Aserbaidschan von 11. bis 24. November 2024 und an der COP30 in Brasilien von 10. bis zum 21. November 2025 teil. Ihre Aufgabe ist es, vor Ort die Stimme der Jugend zu vertreten und die Geschehnisse kritisch zu verfolgen.

Gutes Basiswissen bei Klimaschutz und/oder Klimapolitik schadet nicht für die Bewerbung (bis 26.2.2024).

Kurz gemeldet

Aufgrund des schrumpfenden Meereises in der Arktis sind Eisbären zunehmend vom Hungertod bedroht. Sie können sich nicht an längere eisfreie Sommer anpassen, wie eine Studie an 20 Eisbären zeigt.

Eisbären von Hungertod bedroht – science.ORF.at

Nicht nur Lärm oder künstliches Licht setzt Insekten zu, sondern auch die Luftverschmutzung. Sie verändert den Duft von Blüten, deshalb finden etwa Schmetterlinge nicht mehr zu ihren Pflanzen – und bestäuben sie deshalb auch nicht mehr.

Bestäubung: Schadstoffe verändern Blütenduft – science.ORF.at

Hörtipps

Was passiert, wenn die atlantische Umwälzströmung zum Stillstand kommt

Versiegt die atlantische Wärmepumpe, kühlt Nordeuropa um 15 Grad ab, unsere mitteleuropäischen Winter werden um 5 – 8 Grad kälter. Das sind nur zwei Beispiele der dramatischen Folgen für Europa, wenn der Wettermotor im Atlantik stehen bleibt. In den DIMENSIONEN erklärt der Klimawissenschaftler Douglas Maraun vom Wegener Center für Klima und globalen Wandel der Universität Graz u.a., wie es dazu kommt, dass sich Ozeanströmungen so drastisch verändern oder warum sich dadurch auch der westafrikanische Monsun verschieben würde.

Affenhumor, Mondbesitz, Abkühlung, Neutrinos, 15.02. | Ö1 | ORF-Radiothek

Kontroverses Geoengineering. Menschliche Eingriffe in die Erdatmosphäre.

Um die Gesundheit des Planeten angesichts der Klimakrise zu stärken, bräuchte es eine Abkehr von liebgewordenen Gewohnheiten. Dazu gehört etwa das Verbrennen fossiler Energieträger, wie wir das in den meisten Autos tun. Aber Verhaltensänderungen gehören für Menschen mitunter zum schwierigsten, was wiederum die Fieberkurve der Erde weiter nach oben treibt.
Manche WissenschaftlerInnen arbeiten daher an einem Plan B – die gezielte Beeinflussung der Atmosphäre im planetaren Maßstab, um die Erde künstlich abzukühlen. Konkret wird vor allem daran gedacht, Schwefel-Aerosole in die Stratosphäre einzubringen. Sie wirken wie ein Sonnenschirm und könnten den Globus kühlen. Das weiß man aus der Beobachtung der Folgen großer Vulkanausbrüche. Aber solche Methoden des Geoengineering sind nicht ohne Risiko, wie der Klimaphysiker Blaz Gasparini in VOM LEBEN DER NATUR erzählt.

Vom Leben der Natur – oe1.ORF.at

Wenn die Hummel nicht mehr brummt

Der Kuckuck ist ein bisschen wie ein schlechter Bassist: Er hat Probleme mit dem Timing. Üblicherweise kommt er im Frühjahr so rechtzeitig aus seinem Winterquartier im Süden zurück, dass das Weibchen seine Eier in die Nester von Rotkehlchen oder Rotschwanz legen kann. Idealerweise schlüpfen die Kuckucksjungen vor der Brut der Wirtsvögel. Dann werfen sie deren Eier aus dem Nest und lassen sich „fremdbetreuen“. Dieses Schmarotzertum macht den Kuckuck zwar nicht sympathisch, aber Sympathiewerte sind nun mal keine Kategorie der Natur.

Mit der Klimaerwärmung wird es im Frühjahr eher warm. Rotkehlchen wie Bachstelze haben längst zu brüten begonnen oder der Nachwuchs ist bereits geschlüpft, wenn der Kuckuck aus Zentralafrika eintrifft. Seine Chancen, sich fortzupflanzen, sinken daher drastisch. Darauf weist auch der WWF im Bericht Feeling the Heat hin, in dem er anhand von 13 Arten exemplarisch veranschaulicht, wie die globale Erwärmung die Natur beschädigt.

Wenig amused ob der Hitze sind auch der Darwin-Nasenfrosch (in Südamerika heimisch) und die Kaiserpinguine, die Lederschildkröte oder das Rentier.

Insgesamt, so schätzt der Weltbiodiversitätsrat, sind von den bekannten 8 Millionen Arten bereits mehr als eine Million bedroht. Dazu gehört auch ein Insekt, ohne das wir gar nicht leben könnten, wie Sie im ersten Beitrag lesen werden.

Hummeln mit Hitzeschock

Artensterben

Die pelzigen Hummeln sind nach menschlichen Maßstäben warm angezogen und damit gut an kältere Klimazonen angepasst. Wird es heiß, können sie schnell überhitzen. Beobachtungen an 66 Hummelarten über ein ganzes Jahrhundert hinweg haben gezeigt, dass sich die Brummer immer mehr in kühlere Regionen zurückgezogen haben. Ihre Anzahl ist dabei kontinuierlich gesunken. Dazu trägt neben der Erderwärmung auch die intensive Landwirtschaft bei. Eine Hummel braucht für ihren Energiebedarf mehrere hundert Blüten pro Tag. Sie bestäubt en passant Wild- und Kulturpflanzen. Sinken die Hummelzahlen, ist auch unsere Ernährung gefährdet.

https://science.orf.at/stories/3211875/

Amazonas-Regenwald wird labiler

Ökologie

Bei mehr als drei Vierteln des Amazonas-Waldes hat die Fähigkeit nachgelassen, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen. Das zeigt eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Nicholas Boers vom PIK führt die nachlassende Widerstandsfähigkeit auf Störungen durch Brandrodungen und Abholzungen zurück. Als Gegenmaßnahme müsse man die Abholzung stark eindämmen, aber auch die globalen Treibhausgasemissionen reduzieren.

Das Amazonas-Gebiet hat eine Schlüsselrolle für das Weltklima. Es speichert große Mengen CO2 und beherbergt viele Tier- und Pflanzenarten. Forscher:innen fürchten, dass sich das Amazonas-Becken bei einem Verlust von 20-25% der Walddecke in eine Savanne verwandeln könnte. 

https://science.orf.at/stories/3211835/

Renaturierung statt technischer Maßnahmen

CO2-Speicherung

Durch die Renaturierung zerstörter oder beschädigter Lebensräume könnten wir im EU-Raum jährlich 300 Millionen Tonnen Kohlendioxidäquivalent aus der Atmosphäre holen. Das behauptet eine Studie im Auftrag des World Wide Fund for Nature (WWF). Die Menge entspricht den gesamten Emissionen von Österreich, Ungarn, Tschechien und der Slowakei.

Im März will die EU ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) präsentieren. Der WWF fordert, „dass bis 2030 mindestens 15 Prozent der Land- und Meeresfläche sowie 15 Prozent der Flussstrecken der EU wiederhergestellt werden müssen“. Renaturierungen seien wesentlich sicherer und praktikabler als technische Lösungen.

WWF-Studie: EU-weite Renaturierungen können riesige Mengen CO2 binden – WWF Österreich

Kurz gemeldet

Die Zukunft der Windkraft liege auf hoher See, weil sich rund 80 Prozent der Windressourcen über der Tiefsee befinden. Auch 200 Meter lange Rotorblätter seien kein Problem, so die Energieforscherin Lucy Pao.

https://science.orf.at/stories/3211864/

Vor dem Anstieg von Gletscherseen in Zentralasien warnt ein Forscherteam der Universität Innsbruck. Der Gletscherschwund in Folge des Klimawandels könnte zu einer Verzehnfachung der Wassermenge in den hoch gelegenen Becken führen – mit der Gefahr von Dammbrüchen und Flutwellen.

https://science.orf.at/stories/3211799/

Das Zeitfenster schließt sich

Hörtipp

Die Anpassungen an die Klimaerwärmung werden Geld kosten. Aber sie werden billiger sein als nachträgliche Reparaturmaßnahmen. Das sagt die Ökonomin Birgit Bednar-Friedl in den DIMENSIONEN.DISKUSSIONEN. Sie ist Mitautorin des jüngsten IPCC-Berichts. Darin hat der Weltklimarat unter anderem darauf hingewiesen, wie wichtig gesunde Ökosysteme sind, um uns vor negativen Auswirkungen der Erderwärmung zu schützen. Gleichzeitig klafft aber eine große Lücke zwischen dem, was getan werden sollte, und dem, was tatsächlich umgesetzt wird. So ist der Globus mit den derzeitigen Maßnahmen auf dem Weg zu einer 2,7 Grad-Erwärmung – und damit weit weg vom 1,5 Grad-Ziel.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie