Schlagwort: Arktis

Den Verkehr de-karbonisieren

„Trotz einiger Fortschritte werden die Verkehrsemissionen in den kommenden Jahren nicht schnell genug sinken, um die internationalen Klimaziele zu erreichen.“ Das schreibt das Internationale Transportforum ITF in seinem jüngsten, zweijährlich erscheinenden Outlook.

Schon jetzt ist der Verkehr für rund 23 Prozent der energiebedingten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Machen wir so weiter wie bisher, geht es vor allem auch wegen der zunehmenden Nachfrage noch weiter in die falsche Richtung. So wird auf Basis der gegenwärtigen Entwicklung der Personenverkehr bis 2050 um 79 Prozent zunehmen, der Güterverkehr wird sich in etwa verdoppeln.

Das ITF hat aber auch ein Szenario durchgerechnet, in dem die Politik erhöhte Anstrengungen (high ambitions) unternimmt, den Verkehr zu dekarbonisieren und Verkehrsnachfrage und Emissionen zu entkoppeln. Ein großer Hebel liegt im städtischen Bereich. Bei ehrgeizigen Zielen könnte der Anteil des motorisierten Individualverkehrs dort von 49 Prozent im Jahr 2019 auf 36 Prozent im Jahr 2050 sinken.

Auch in ländlichen Regionen lassen sich Emissionen vermeiden: vor allem durch den Ausbau des Schienenverkehrs. Allerdings werden am Land auch 2050 noch die Hälfte der (regionalen) Fahrten mit dem PKW zurückgelegt, egal mit welchem Antrieb, prognostiziert das ITF.

Quer über alle Verkehrsträger empfiehlt das Transportforum ein stärkere Nachfragesteuerung der Politik im Verkehr: durch Straßenbenutzungsgebühren, die Einschränkung des motorisierten Individualverkehrs (auch durch alternative Angebote und gute Öffis) oder die Förderung des multimodalen Verkehrs (z.B. Nutzung von Schiene und Wasserwegen für Liefertransporte). Auch die Befreiung des Luft- und Seeverkehrs von der Mineralölsteuer läuft einer Dekarbonisierung entgegen und sollte abgeschafft werden. Da dort eine Elektrifizierung des Antriebs am schwierigsten möglich ist, setzt das ITF bei Flugzeug und Schiff auf (teurere) klimaneutrale Kraftstoffe.

In der Stadt ist es am leichtesten, Emissionen zu vermeiden. „Flächendeckende öffentliche Verkehrsnetze sind ein entscheidender Faktor für eine zugängliche und erschwingliche städtische Mobilität“, schreibt das ITF in seiner Prognose. Damit werden auch soziale Schieflagen ausgeglichen, damit sich im Jahr 2050 nicht mehr nur Begüterte Mobilität leisten können. Eine Kombination vieler ambitionierter Maßnahmen „kann die CO2-Emissionen in urbanen Gebieten bis 2050 im Vergleich zu 2019 um mehr als 78 Prozent senken“.

Entscheidend werde auch sein, in der Verkehrsplanung umzudenken: Bisher wird Infrastruktur (etwa eine neue Straße) als Reaktion auf die prognostizierte Nachfrage gebaut. Das ITF empfiehlt stattdessen den „Decide and Provide“-Ansatz: Gebaut wird nach Maßgabe von Zielen (etwa Emissionsvermeidung).

Das ambitionierte Szenario des Internationalen Transportforums wäre übrigens nicht teurer als ein „weiter wie bisher“: Der Gesamtbedarf an Investitionen in die Kerninfrastruktur wie Straßen, Schienen und Flughäfen ist mit ehrgeizigen Maßnahmen 5 Prozent niedriger als bei „business as usual“.

https://www.itf-oecd.org/sites/default/files/repositories/itf-transport-outlook-2023-summary-de.pdf

Klimafreundlicherer Verkehr ohne Wohlstandsverlust

Wie Großstädte Emissionen einsparen können

Wie man Metropolen mit klimafreundlichem Verkehr versorgen kann, ohne die Bevölkerung zu überfordern: Das zeigt auch eine vom Berliner Mercator Institut mitverfasste neue Studie für 120 Städte weltweit. Sie beherbergen 525 Millionen Menschen auf fünf Kontinenten. Maßgeschneiderte Klimapolitik im Verkehr kann die Treibhausgas-Emissionen in 15 Jahren um 22 Prozent verringern, ohne dass die Lebensqualität darunter leidet, so das Ergebnis der Studie. Macht man in der städtischen Politik weiter wie bisher, sinkt der Treibhausgas-Ausstoß nur um 3 Prozent.

https://www.mcc-berlin.net/news/meldungen/meldungen-detail/article/in-15-jahren-weltweit-ein-fuenftel-weniger-klimagase-im-stadtverkehr.html

Wetterkapriolen im Sommer

EU-Warnung

Die EU-Umweltagentur EEA warnt vor klimabedingten Wetterkapriolen im Sommer in Europa. Es hat ein neues Webportal zu Wetterextremen vorgestellt, das vergangene Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und Waldbrände untersucht.

In der Online-Übersicht mit dem Titel „Extremes Sommerwetter in einem sich verändernden Klima: Ist Europa vorbereitet?“ will die EEA detailliert zeigen, wie sich Wetterextreme zunehmend auf die Bevölkerungen, Volkswirtschaften und die Natur in Europa auswirken.

https://science.orf.at/stories/3219786/

Arktis schon in 2030ern eisfrei

Schmelze

Das Eis in der Arktis schmilzt schneller, als bisherige Prognosen nahelegen. Der arktische Ozean könnte schon in wenigen Jahren zumindest in den Sommermonaten eisfrei sein, wie eine aktuelle Studie zeigt. Selbst eine Reduktion der Treibhausgasemissionen kann das nicht mehr verhindern. Verglichen mit anderen Erdregionen erwärmt sich die Arktis viermal so schnell. In den letzten drei Jahrzehnten gingen so im Sommer drei Viertel des arktischen Packeises verloren. Auch wenn das Eis in den Wintermonaten in der Regel wieder zurückkehrt, befürchtet das Forschungsteam negative Auswirkungen auf die Ökosysteme der Arktis.

https://science.orf.at/stories/3219668/

Kurz gemeldet

Das Winterhalbjahr 2022/2023 war überdurchschnittlich warm. Das zeigen die Daten von GeoSphere Austria, dem Deutschen Wetterdienst und MeteoSchweiz. Vor allem nördlich des Hauptkamms fehlte der Schnee. Die Schneedecke erholte sich erst Anfang des Frühjahrs.

https://oesterreich.orf.at/stories/3211549/

Und hitzig geht es weiter: Die Temperaturen über allen eisfreien Ozeanen waren im Mai höher denn je seit Beginn der Aufzeichnungen. Das belegen Daten des europäischen Copernicus Klimawandeldienstes.

https://climate.copernicus.eu/

TIPPS

Treibhauspost

Klimatrends, die Hoffnung machen: Diesem Thema haben sich die zwei Macher des Newsletters „Treibhauspost“ verschrieben. Die Berliner Autoren Manuel Kronenberg und Julien Gupta folgen mit ihren Artikeln konstruktiven Ansätzen zur Bewältigung der Erderhitzung, vergessen dabei aber auch nicht, die Ursachen und Verursacher der Klimakrise zu benennen. Die Problematik einer nach stetem Wachstum gierenden Wirtschaft sprechen sie ebenso an wie die Chancen, die sich aus einer fleischärmeren und damit klimafreundlicheren Ernährung ergeben. Die Veröffentlichungen der „Treibhauspost“ sind auch komfortabel nachzulesen.

Der Newsletter erscheint in unregelmäßigen Abständen und ist gratis abonnierbar.

Energiewende. Wettlauf mit der Zeit.

Eine neue Sonderausstellung zu Klimakrise und Energiewende zeigt das Technische Museum Wien seit dieser Woche. Auf fünf Ebenen dokumentiert es, warum wir eine Energiewende brauchen, damit unser Planet lebenswert bleibt, an welchen Stellschrauben wir drehen können und wie eine klimafreundliche Welt in 30 Jahren aussehen könnte, wenn wir heute die richtigen Weichen stellen.

https://www.technischesmuseum.at/ausstellung/energiewende

Die Blumenwiese im Wandel

TOPOS

Unsere Wiesen haben sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. So manche Fläche gleicht tatsächlich dem sprichwörtlichen „Grünland“, weil fast alle Blumen verschwunden sind. Vor allem auf überdüngten Wiesen geht die Artenvielfalt zurück. Hochleistungsgräser dominieren heute fast 90 Prozent der Wiesenflächen.

Wie es um unsere Wiesen steht und wie sie aussehen könnten, dokumentiert TOPOS in Film und Text.

https://topos.orf.at/Artenvielfalt_Blumenwiese100

Europa als Klima-Ground Zero

In den Herbstferien packte sich die Familie zusammen und fuhr mit dem Nachtzug nach Paris. Ich mag die ÖBB und ich genieße die Beinfreiheit in den Zügen. In der Realität war in Sachen Komfort noch viel Luft nach oben. Die Liegewagen kamen tief aus dem letzten Jahrhundert. Sie waren sauber, aber recht ausgeschlafen empfing uns der Gare de l’Est nicht.

Das will ich den ÖBB gar nicht zum Vorwurf machen. Die Bestellung moderner Garnituren dauert mehrere Jahre, was jede Erneuerung von vornherein zu einem langwierigen Projekt macht. Bis sich die Mittelstrecke per Bahn etabliert, wird es wohl ebenfalls noch lange Zeit brauchen.

Dazu kommt das alte Preisthema: Per Flugzeug wäre die Reise nach Paris nur halb so teuer gewesen. Nun kann man sich den Mehrpreis schön rechnen, weil man durch die nächtliche Fahrt 1-2 Übernachtungen spart. Trotzdem. Das Problem liegt nicht in den Bahnkosten, sondern in der altbekannten Tatsache, dass Fliegen einfach zu billig ist.

Jeder Flug ist eine Umverteilung von Kosten zu Lasten der Nicht- und Wenigflieger. So beziffert das deutsche Umweltbundesamt die direkten Klimaschäden bei Flügen unter 2000km mit 5 Cent pro Personenkilometer. Auf der Kurzstrecke sind die Schäden noch höher.

Dazu tragen nicht nur die 3,15 Kilogramm CO2 bei, die pro Liter verbranntem Kerosin entstehen. Auch Beiprodukte wie Ruß, Wasserdampf und Stickoxide heizen den Planeten auf. Die Kondensstreifen etwa führen zur Bildung von Cirrus-Wolken, die einerseits Sonnenstrahlen reflektieren (was positiv im Sinne der Kühlung des Planeten wäre), andererseits aber auch die Abstrahlung von Wärme unter ihrem Schirm verhindern. Rechnet man diese Effekte dazu, ist der Erwärmungseffekt des Luftverkehrs etwa dreimal so groß wie bei der alleinigen Betrachtung seiner Kohlendioxid-Emissionen. Und damit ist das Flugzeug das klimaschädlichste Verkehrsmittel pro Personenkilometer.  

Aber es geht hier nicht um Flug-Scham. Und es wäre vermessen, von jedem einzelnen zu fordern, die Welt durch den Verzicht auf Flugreisen zu retten. Große Lösungen können nur politisch sein. Und dazu gehört nicht eine völlig erratische Bevorzugung eines Verkehrsmittels, dessen wahre Kosten sozialisiert werden, sondern eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung der Kosten einzelner Transportvarianten samt entsprechender Verteilung von Fördermitteln.

Sehr nett fand ich zum Transportthema übrigens einen Link, auf den ich via @_benjamintd und Twitter stieß: Auf https://www.chronotrains.com/de können Sie sich für jeden Punkt in Europa anzeigen lassen, wieweit Sie es mit der Bahn von dort aus in 5 Stunden schaffen. Damit erhalten Sie auch ein gutes Bild bereits ausgebauter Hochgeschwindigkeitsnetze samt noch existierender „weißer Flecken“ auf der europäischen Bahn-Landkarte.

Europa fiebert

Doppelt so starke Erhitzung wie im globalen Schnitt

Seit 1991 steigen die Temperaturen in Europa pro Dekade um rund 0,5 Grad. Damit erwärmt sich der Kontinent doppelt so schnell wie der Globus als Gesamtheit. Das zeigt der Klimazustandsbericht Europa der Weltwetterorganisation (WMO).

In der Arktis und in höheren nördlichen Breiten führt die Klimakrise zu einer noch stärkeren Erhitzung. Zum „kontinentalen Fieber“ trägt auch die physikalische Tatsache bei, dass sich die Luft über Kontinenten generell stärker erwärmt als über dem Meer.

In Folge der starken Erwärmung haben die Alpengletscher seit 1997 zum Beispiel 30 Meter an Eisdicke verloren, über dem höchsten Punkt Grönlands, auf 3.200 Meter Höhe, regnete es im Sommer 2021 zum ersten Mal. Das Abschmelzen des grönländischen Gletschers trägt maßgeblich zum Ansteigen des Meeresspiegels bei.

Die Arktis erwärmt sich gar dreimal schneller als der globale Durchschnitt. Johan Rockström, der Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK nennt Europa deshalb den „planetaren Ground Zero“ bei den Auswirkungen der Klimakrise.

https://science.orf.at/stories/3215864/

Noch mehr Rekorde

Im Jänner 2022 wurde in der Arktis der stärkste Sturm seit Beginn der Aufzeichnungen beobachtet. Er führte nicht nur zu einer verstärkten Eisschmelze, sondern auch zu 8 Meter hohen Wellen, zu Spitzenwindgeschwindigkeiten und dem tiefsten dort jemals gemessenen atmosphärischen Druck von 932 Millibar.

https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2022JD037161

2021 erreichten die Methan- und CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre neue Höchststände.

Rekordanstieg bei Methan-Emissionen – science.ORF.at

Der Oktober 2022 war der wärmste Oktober der Messgeschichte.

Klimaerwärmung: Wärmster Oktober der Messgeschichte – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Die Zahl der Nebelstunden am Bodensee nimmt ab. Das liegt zum einen an der Erderwärmung, zum anderen aber auch an einer saubereren Luft.

Weniger Nebel am Bodensee – science.ORF.at

Die Macht der Sonne: Erneuerbare Energien im Nahen Osten

Hörtipp

37 Quadratkilometer ist der größte Solarpark Afrikas groß. Er steht mit seinen 6 Millionen Photovoltaikmodulen in Ägypten. Das von politischen Krisen und Menschenrechtsverletzungen gebeutelte Land ist aber nicht das einzige im Nahen Osten, das sich zunehmend um erneuerbare Energien annimmt. Auch Staaten, die bisher Vermögen mit ihren dreckigen fossilen Rohstoffen verdient haben, versuchen sich an nachhaltigen Energieprojekten. Ob das mehr ist als Greenwashing, hat diese Woche das JOURNAL PANORAMA in einer hörenswerten Reportage beleuchtet.

https://oe1.orf.at/player/20221103/697521