Schlagwort: Fast Fashion

Geschummelt

Einen Teil unseres Lebens können wir uns nur leisten, weil wir nicht auf die wahren Kosten schauen und andere die Zeche berappen. Das trifft den motorisierten Verkehr und Flugreisen ebenso wie einen speziellen Zweig des Fischfangs, die Schleppnetz-Fischerei. Deren wahre (ökologische wie ökonomische) Kosten hat nun eine Studie rund um ein National Geographic Forschungsteam zu beziffern versucht und ist dabei zu horrenden Zahlen gekommen.

Bei der Schleppnetzfischerei kratzen Netze, die teilweise so groß sind, dass sie sieben Jumbo-Jets aufnehmen könnten, über den Meeresboden und nehmen fast alles an Leben mit, was ihnen in den Weg kommt. Bis zu 75 Prozent des Fangs sind Beifang, also Fische, die unerwünscht sind im Netz.

Die Schleppnetzfischerei schafft einerseits Arbeitsplätze und versorgt uns mit Proteinen. Diesen positiven Wert beziffert die Studie für Europa jährlich mit 1,1 Milliarden Euro. Andererseits verursacht sie hohe ökologische Schäden, etwa weil durch die Beschädigung des Meeresbodens CO2 frei und die Biodiversität enorm in Mitleidenschaft gezogen wird. Dieser Schaden könnte bis zu 11 Milliarden Euro betragen. Ein krasses Missverhältnis.

Besonders bemerkenswert ist, dass 60% aller europäischen Meeresschutzgebiete mit Schleppnetzen befischt werden. Das führt am Beispiel Norwegens dazu, dass die Biodiversität außerhalb der Schutzgebiete teilweise höher ist als innerhalb. „Die Schleppnetzfischerei in Europa zerstört das Meeresleben in mehr als der Hälfte der Gebiete, die eigentlich gesetzlich geschützt sein sollten. Die Schleppnetzfischerei in Meeresschutzgebieten ist nicht nur eine ökologische Beschädigung, sondern auch ein wirtschaftliches Versagen“, kommentiert Enric Sala, National Geographic Explorer in Residence und einer der Autoren der Studie.

Besonders pikant dabei: Europäische Länder wie Norwegen, Dänemark, Schweden, Großbritannien und Italien fördern die Schleppnetzfischerei mit rund 1,3 Milliarden Euro jährlich – klassische klimaschädliche Subventionen, die sich nicht um die gesellschaftlichen Gesamtkosten scheren. Laut einer Nature-Studie könnten die Kohlendioxid-Emissionen aus der Schleppnetzfischerei so hoch sein wie jene aus dem Flugverkehr.

Würde man die Schleppnetzfischerei nur in den europäischen Meeresschutzgebieten stoppen, würde sich die Öffentlichkeit Milliardenkosten ersparen. Aber es sind Kosten, die unsichtbar bleiben. Und deshalb kostet der Kabeljau am Teller weitaus mehr als auf dem Rechnungszettel steht.  

https://science.orf.at/stories/3229455

Gebirge als Wasserspeicher

Weltwasserbericht

Gebirge und Hochgebirge sind essenzielle Quellen und Speicher für Süßwasser sowie entscheidend für die Ernährungs- und Energiesicherheit von über drei Milliarden Menschen. Das betont der kürzlich erschienene Weltwasserbericht der UNO. Besonders Gletscher sind in Dürreperioden wichtig, da sie Wasser speichern und über das Jahr verteilt liefern. Bei Dürre etwa schmelzen sie stärker und versorgen trockene Gebiete mit Wasser. Forschende plädieren angesichts des Klimawandels für Anpassungsstrategien wie künstliche Stauseen und einen umsichtigeren Umgang mit Wasserressourcen.

https://science.orf.at/stories/3229411

Pasterze schmilzt

Gletscherschwund

Pro Jahr verliert die Pasterze am Fuß des Großglockners bis zu zwei Meter Eisdicke. Laut Geosphere Austria könnte sie daher bald den Status des größten Gletschers Österreichs einbüßen. Bis 2050 wird der untere Teil – die Gletscherzunge – wohl verschwinden.

2025 wurde von der UNO zum Internationalen Jahr zur Erhaltung der Gletscher erklärt. Der Filmemacher Harry Putz hat über das Sterben der Gletscher in den Alpen einen Film gedreht.REQUIEM IN WEISS stellt anhand von 14 Gletschern in Österreich, Deutschland, Italien und der Schweiz die Frage: Wie wollen wir unsere Gletscher verabschieden.  

REQUIEM IN WEISS – FREILUFTDOKU

https://science.orf.at/stories/3229387

Textilkonsum in der EU auf Rekordniveau

Umweltbelastung durch steigenden Verbrauch

Menschen in der EU verbrauchten im Jahr 2022 durchschnittlich 19 Kilogramm Textilien, darunter acht Kilogramm Kleidung, vier Kilogramm Schuhe und sieben Kilogramm Haushaltstextilien. Das ist mehr als in den Vorjahren, wie die Europäische Umweltagentur (EEA) berichtet.

Der hohe Textilkonsum belastet die Umwelt und das Klima durch den Verbrauch von Materialien, Wasser und Landfläche sowie durch Emissionen, Chemikalien und Mikroplastik. Der Bericht fordert Politik, Industrie und Verbraucher auf, zu langlebigeren und recycelbaren Textilien überzugehen, um die Umweltbelastung zu reduzieren und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken.

Im Jahr 2022 wurden in der EU rund 6,94 Millionen Tonnen Textilmüll erzeugt, wobei 85 Prozent der Textilabfälle nicht getrennt gesammelt wurden. Ab dem 1. Januar 2025 müssen Textilien gemäß einer EU-Richtlinie zumindest getrennt vom restlichen Müll entsorgt werden. Nachhaltige Recyclingkonzepte fehlen allerdings noch.

https://orf.at//stories/3388640

Kurz gemeldet

Österreich hat den „Overshoot Day“ bereits am 29. März erreicht und damit seine natürlichen Ressourcen neun Tage früher als im Vorjahr aufgebraucht. Berechnet wird er von der Umweltschutzorganisation Global Footprint Network. Damit liegt Österreich beim Ressourcenverbrauch wieder ganz vorne. Negativer Spitzenreiter ist Katar, das schon am 6. Februar seinen Overshoot Day erlebt hat.

https://orf.at//stories/3388975

Ein neues Batterieforschungszentrum hat am 1. April in Graz seinen Betrieb aufgenommen. „Battery4Life“ forscht an innovativen Batterietechnologien für Elektrofahrzeuge mit dem Ziel, Batterien effizienter und nachhaltiger zu machen.

https://steiermark.orf.at/stories/3299278

Das Verschwinden der Weißen Haie hat schwerwiegende Folgen für das Ökosystem der Meere. Das zeigen Daten aus einer Atlantik-Bucht vor Südafrika. Der Verlust der Raubtiere beeinflusst das gesamte Nahrungsnetz negativ und schädigt viele Tiere, von Robben bis zu kleineren Haiarten und Fischen.

https://science.orf.at/stories/3229552/

Schein-Klimaschutz, planetare Grenzen und schnelle Mode

Textilien werden im Schnitt weit unter zehnmal getragen. Das sagt der Vorstand des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der TU Wien, Andre Martinuzzi. Da ich Modehäuser als die weltliche Version der Vorhölle empfinde, machen mich derlei Statistiken nachgerade fassungslos. Eines meiner ältesten T-Shirts habe ich 2012 in Panama gekauft, und es dürfte qualitativ tatsächlich top sein, da es die Peinlichkeitsschwelle noch immer deutlich unterschreitet.

In PUNKT EINS war diese Woche zu hören, dass Online-Versandhäuser textile Retouren vernichten, weil dies billiger kommt, als die Kleidung auf Lager zu legen. Und gekauft wird auf Anschlag. „Österreicher:innen kaufen derzeit durchschnittlich 60 Kleidungsstücke pro Jahr, und gleichzeitig hat sich die Dauer, die die Kleidung getragen wird, ganz stark verkürzt. Gut 20 Prozent der Kleidung wird gar nie und bis zu 40 Prozent der Kleidung sehr selten getragen“, meinte die Umweltsoziologin Mirjam Mock in der Sendung.

Fast Fashion ist zu einem veritablen Umwelt- und Klimaproblem geworden. Manche Modelabels bringen im Wochenabstand neue Kollektionen heraus, zu Preisen, die die planetaren Kosten überhaupt nicht abbilden. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel aller produzierten Textilien überhaupt nie auf den Markt kommt, sondern ungetragen verbrannt oder anders vernichtet wird.

Die Produktion von einem Kilogramm Baumwolle benötigt drei Kilogramm Chemikalien. Weltweit verschlingt die Textilproduktion vier Prozent des Wasserbedarfs oder 100 Milliarden Kubikmeter jährlich. Mit Stand 2019 emittierte die Textilindustrie jährlich 1,2 Milliarden Tonnen CO2, mehr als die gesamte Luftfahrt (0,9 Mrd. Tonnen). Insgesamt ist die Modebranche mit 8 Prozent am Treibhausgasausstoß beteiligt.  

Und dabei sprechen wir noch gar nicht von den unmittelbaren menschlichen Kosten durch die miserablen Arbeitsbedingungen und die Ausbeutung der Textilarbeiter:innen in Billiglohnländern. Menschliches Leid und ökologische Zerstörung gehen wie so oft Hand in Hand. Durch das Missverstehen von Kleidung als Wegwerfprodukt, machen sich auch die Konsument:innen mitschuldig.

Um Mode nachhaltiger zu machen, hat die EU Ende März eine „Initiative für nachhaltige Produkte“ gestartet, die die desaströse Fast Fashion bis 2030 verschwinden lassen soll. Mehr dazu im ersten Beitrag dieses Newsletters.

https://oe1.orf.at/player/20220427/676131

Aus für Fast Fashion

EU-Initiative

Um mehr Bewusstsein für die verheerenden Folgen von Billigmode zu schaffen, will die EU Textilien u.a. mit verpflichtenden Angaben zur Halt- und Wiederverwertbarkeit versehen, ebenso über die Nachhaltigkeit der Produktion. Die Initiative ist Teil der Kommissions-Pläne für eine Kreislaufwirtschaft, die nicht ständig neue Rohstoffe anzapfen und verschlingen muss. Durch Recycling und Reparierbarkeit soll der Ressourcenverbrauch von Textilien drastisch gesenkt werden. Jeder Europäer verbraucht allein über die Textilien, die er durchschnittlich pro Jahr kauft, 9.000 Liter Wasser.

Neue EU-Strategie: Der Anfang vom Ende für „Fast Fashion“ – news.ORF.at

Sechste Planetare Grenze überschritten

Süßwasser

Von den borealen Wäldern bis zu den Tropfen, auf Ackerflächen wie in Wäldern, verändert sich die Bodenfeuchtigkeit. Sie werden zunehmend extrem feucht oder extrem trocken. Dies bringt zum Beispiel den Amazonas-Regenwald nahe an einen Kipppunkt. Das Stockholm Resilience Center und das Potsdamer PIK schätzen die Veränderung des Süßwasserhaushalts als dermaßen gravierend ein, dass sie damit eine planetare Grenze überschritten sehen, weil damit die lebenserhaltenden Systeme der Erde bedroht sind. Hauptautorin Lan Wang-Erlandsson bezeichnet Wasser als den „Blutkreislauf der Biosphäre.“

Wasser ist einer der neun Regulatoren für den Zustand des Erdsystems und die sechste Grenze, deren Überschreitung Forschende festgestellt haben. Andere überschrittene Grenzen sind: Klimawandel, Integrität der Biosphäre, biogeochemische Kreisläufe, Veränderung des Landsystems und, im Jahr 2022, neuartige Stoffe, zu denen Plastik und andere vom Menschen hergestellte Chemikalien gehören, wie das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung in einer Aussendung schreibt.

Update planetare Grenzen: Grenze für Süsswasser überschritten — Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (pik-potsdam.de)

Wort der Woche

„Schein-Klimaschutz“

„Wir sind nach wie vor katastrophal in die falsche Richtung unterwegs.“ Das meinte diese Woche Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU. Im Klimaschutz würden in der österreichischen Politik Etikettenschwindel, Schönreden und (Selbst-)Täuschung regieren.

„Wir wählen regelmäßig Scheinklimaschutz“, so der Politologe, „im Supermarkt wie bei politischen Wahlen.“ Auch der von Österreich für 2040 versprochenen Klimaneutralität räumten die Expert:innen angesichts der gegenwärtig umgesetzten Maßnahmen nur geringe Chancen auf Realisierung ein. Verbrauchsreduktion und Energiesparen müssten ebenso zu einem Thema werden wie ein Umdenken beim größten Sorgenkind der Klimapolitik, der Mobilität.

„Scheinklimaschutz“ statt echter Maßnahmen – science.ORF.at

50 Grad in Indien

Rekord der Woche

Der März war der zweitheißeste des Subkontinents seit 120 Jahren, ähnliches gilt für April. Die begleitende Trockenheit lieferte auch nur ein Drittel bis ein Viertel der üblichen Regenmengen. Durch die Hitzewelle schrumpft Indiens Weizenproduktion. Sollte sich Indien nicht mehr selbst mit Getreide versorgen können, würde dies zusätzlich zur Weizen-Knappheit durch den Ukraine-Krieg Druck auf den Weltmarkt ausüben.

Der Deutsche Wetterdienst beschreibt Indien als einen der Hotspots des globalen Klimawandels. Als Folge der Erderhitzung nimmt die Zahl von Extremwetter-Ereignissen seit Jahren zu. In den 1980er Jahren gab es in Indien im Schnitt 41 Tage pro Jahr mit Temperaturen über 40 Grad, in den 2010er Jahren waren es bereits 60. In den nächsten Tagen könnte die Hitze in manchen Teilen Indiens und Pakistans die 50 Grad-Grenze überschreiten.

https://orf.at/stories/3262076/

Tipp

„Was müssen wir heute tun, um morgen in einer klimagesunden Zukunft zu leben?“ Mit dieser Frage hat sich der aus rund 100 Bürger:innen bestehende österreichische Klimarat in bislang vier Zusammentreffen beschäftigt. Nun fragt der Klimarat die Menschen in Österreich um ihre Meinung zu den Themen Ernährung und Landnutzung, Mobilität, Wohnen, Produktion und Konsum sowie Energie. Seit dem 27. April kann man sich über klimarat.org an der Diskussion beteiligen bzw. über vorgeschlagene Maßnahmen abstimmen.

Der Klimarat

Schwarze Bänder mit Reise-Geschichte

Hörtipp

Straßen sind Bodenfresser und, wenn befahren, meist indirekt auch Dreckschleudern.Manchmal tituliert man sie euphemistisch einfach um, wenn aus einer Autobahn eine Stadtstraße wird.Andererseits können sie selber eine Attraktion sein.AMBIENTEporträtiert die Westautobahn, die Großglockner Hochalpenstraße und die Salzburger Getreidegasse.

https://oe1.orf.at/player/20220424/675957