Schlagwort: Grönland

Bahn und Bier

Vielleicht wiederhole ich mich. Aber ich bin ein begeisterter Bahnfahrer, nicht zuletzt deshalb, weil ich Autofahren vielfach als reine Zeitverschwendung empfinde. Mitunter gehöre ich sogar zu jenen, denen es von Wien nach Linz schon zu schnell geht. Kaum hat man seinen Laptop aufgeklappt, muss man schon wieder aussteigen. 1 Stunde 16 Minuten dauert die Fahrt im Railjet im Regelfall. Ich kenne sogar einen Menschen, der seine wissenschaftlichen Arbeiten fast ausschließlich im Zug schreibt und dafür bereits nach Vorarlberg und retour fahren muss, weil es auf der Bahn immer schneller geht.

Gut, wir reden jetzt von Hauptstrecken zwischen Österreichs Mini-Metropolen, und nicht von Nebenstrecken, wo die Bahnfahrenden meist wenig verwöhnt werden.

Ich bekenne mich auch zum multimodalen Verkehr: Öffentlich in eine Stadt, mit einem Leihwagen zu einer schwer erreichbaren Ortschaft mit schlechter Anbindung. Manchmal macht es in urbanen Zentren auch Sinn, sich für zwei Kilometer schnell ein Rad auszuleihen, wo dies so unkompliziert geht wie in Wien.

Angesichts meines Faibles für die Bahn freue ich mich umso mehr, dass der ÖBB-Rahmenplan 2024 bis 2029 Investitionen in der Höhe von 21,1 Mrd. Euro vorsieht. Das Geld fließt nicht nur in Hauptverkehrsachsen und Großprojekte wie den Koralmtunnel, den Semmering- und Brenner Basistunnel, sondern auch in Verbesserungen auf weniger frequentierten Strecken. Dazu gehört etwa der zweigleisige Ausbau zwischen Nettingsdorf und Rohr auf der oberösterreichischen Pyhrnstrecke oder des Abschnitts Werndorf – Spielfeld in der Steiermark sowie der Ausbau Herzogenburg – St. Pölten, um nur einige wenige Beispiele zu nennen.

Die Ansprüche des erwähnten Wissenschafters an die Bahn gehen übrigens noch ein Stück weiter. Er sucht sich seine Strecken quer durch Europa vor allem danach aus, ob es im Speisewagen Fassbier gibt. (Und wie Bier und Klimawandel zusammenhängen, lesen Sie weiter unten.)

PS Ich habe diesen Oktober mit seiner untypischen Wärme unglaublich genossen. Er war der wärmste seit Beginn der 257-jährigen Messgeschichte. Jede Verlängerung des Sommers ist mir willkommen. In Wien war es so warm wie zu dieser Zeit normalerweise in Triest, schreibt der ORF-Meteorologe Daniel Schrott in seiner Analyse.

Gleichwohl hat der Wärmerekord einen schalen Beigeschmack. Wir werden ihn wohl mit meteorologischen Ausschlägen auf der anderen Seite büßen müssen, mit extremen Niederschlägen, Dürren oder Winden. So fegte am 20. Oktober ein Föhnsturm mit fast 200 km/h über den Patscherkofel. Nicht alles an diesem Super-Oktober ist dem Klimawandel anzulasten. Aber natürlich ist die Luft, die von außen nach Österreich einströmt, wärmer und damit energiereicher, als sie es ohne Treibhausgase wäre. Insofern steckt in jedem Wetterereignis die Erderhitzung unausweichlich drin.  

CO2: Weltklimarat zu optimistisch

Weniger Spielraum als prognostiziert

Während viele dem Weltklimarat IPCC vorwerfen, alarmistisch zu agieren, werfen ihm andere vor, die Geschwindigkeit der Erderhitzung zu unterschätzen. Nach neuesten Daten dürften Letztere Recht haben: Laut einer in Nature Climate Change veröffentlichten Studie verbleibt der Menschheit bis zum Überschreiten des Pariser 1,5 Grad-Ziels ein deutlich geringeres CO2-Budget als bisher angenommen. Demnach werden wir auf Basis der Treibhausgas-Emissionen von 2022 bereits in 6 Jahren die 1,5 Grad-Grenze erreichen. Benjamin Sanderson vom Centre for International Climate and Environmental Research in Oslo nannte die Studie „für politische Entscheidungsträger eine unangenehme Lektüre.“

https://science.orf.at/stories/3221920/

Bier leidet unter Klimawandel

Hopfen verändert sich

Bei einer globalen Erwärmung von 1,4 Grad sinken die Erträge von Hopfen. Vor allem verändert sich der Gehalt an Alphasäuren, die für die Bittere des Bieres verantwortlich und vor allem in IPAs in höherem Ausmaß erwünscht sind. Ein Großteil der europäischen Hopfenanbaugebiete liegt in Deutschland und Tschechien, aber auch Österreich kultiviert auf 250 Hektar Hopfen, vor allem im Mühl- und Waldviertel sowie in der Südsteiermark.

In den Gebieten nördlich der Donau sinkt der Ertrag laut Prognose der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in Brünn um sechs bis acht Prozent im Vergleich der Zeiträume 1989-2018 und 2021-2050. Der Alphasäuregehalt werde dort im Schnitt zwischen 22 und 24 Prozent zurückgehen. Noch höhere Einbußen sind für die Hopfenanbaugebiete in der Südsteiermark und Slowenien zu erwarten.

(APA, https://www.nature.com/articles/s41467-023-41474-5)

Stabiler als gedacht: der Grönländische Eisschild

Eismasse schmilzt ab 1,7 Grad Erwärmung

Selbst wenn die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 auf bis zu 6,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau steigt, könnte eine anschließende Abkühlung innerhalb weniger Jahrhunderte verhindern, dass der Eisschild vollständig zusammenbricht und der Meeresspiegel dramatisch ansteigt, so das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK in einer Aussendung. Langfristig gesehen liegt die kritische Temperaturschwelle für ein nahezu vollständiges Abschmelzen des grönländischen Eisschildes zwischen 1,7 und 2,3 Grad Celsius globaler Erwärmung, so das PIK.

Kurz gemeldet

Datencenter sind Energiefresser. Vor allem die Kühlung verschlingt viele Ressourcen. Chinesische Forscher schlagen nun vor, die Prozessoren durch technische Fortschritte zunehmend bei höheren Temperaturen arbeiten zu lassen und die Umgebungsluft als Kühlmittel zu nutzen, um damit Energie zu sparen. Viele Prozessoren tolerieren bereits eine Temperatur von 30 Grad, während Rechenzentren normalerweise noch auf 20-25 Grad temperiert werden.

https://science.orf.at/stories/3221748/

Ablenkungsmanöver

Nun hat sich die EU also zu einem halbherzigen Kompromiss durchgerungen. Ab 2035 sind Neuzulassungen von Autos verboten, die mit Diesel oder Benzin fahren. Verbrennungsmotoren sind allerdings weiter erlaubt, wenn sie mit E-Fuels fahren. So nennt man Treibstoffe, die aus Wasserstoff und Kohlendioxid hergestellt werden. Idealerweise kommt der Wasserstoff aus erneuerbarem Strom – und nicht wie derzeit vorwiegend aus Erdgas.

Klingt gut, ist aber eine veritable Nebelgranate der Verbrenner- und Fossillobby, die uns den Blick auf die nackten Energietatsachen verstellen und die alte Fahrzeugtechnik ad infinitum verlängern soll.

Um mit einem E-Fuel-Auto einen Kilometer zu fahren, braucht es bis zu zehn Mal mehr Strom als für ein rein elektrisch angetriebenes Auto. Das heißt, man kann mit derselben Energiemenge zehn Elektroautos betreiben, wie das Umweltbundesamt in einem Bericht dokumentiert hat.

Ein Vertreter der eFuel Alliance Österreich meinte im Ö1-Mittagsjournal, man könne den synthetischen Kraftstoff ja beispielsweise aus Patagonien importieren. Dort gebe es genug ungenutzten Wind für grünen Strom und grünen Wasserstoff.

Auch die Ökonomin Sigrid Stagl bezweifelt die Sinnhaftigkeit dieser Vision. E-Fuels seien eine Ablenkung, um die dringend nötige Klimapolitik zu verzögern. „Eine Technologie zu favorisieren, die ineffizienter ist, ist angesichts der Tatsache, dass es zu wenig grünen Strom gibt, nicht der richtige Weg“, so Stagl ebenfalls im Mittagsjournal.

Zweifellos werden E-Fuels ihre Berechtigung haben: dort, wo sie nicht einfach durch den effizienteren Strom ersetzt werden können, etwa für Flugzeuge, Schiffe oder für die Industrie.

Der Korrektheit halber weise ich noch einmal darauf hin, dass auch Elektroautos nicht der Weisheit letzter Schluss in Sachen Mobilität sind. Auch sie verschlingen Ressourcen und Gemeinschaftsfläche. Und der öffentliche Verkehr ist in jedem Fall weitaus ökologischer als ein Privatauto. Trotzdem sind E-Autos in Sachen Individualverkehr umweltfreundlicher als Verbrenner.

Letztendlich könnte uns beim umstrittenen Thema E-Fuels der Markt helfen (vorausgesetzt, die unökonomische Produktion wird nicht gestützt): Ein Liter E-Fuel kostete 2020 – also noch vor der Explosion der Strompreise – 4,50 Euro. Optimistische Prognosen sprachen damals davon, dass der Preis bis 2030 auf 2,30 Euro sinken würde. Das ist noch immer weitaus mehr als Benzin und Diesel derzeit kosten.

Vielleicht werden E-Fuels also zu einem Statussymbol für die Begüterten. Denn welcher Mensch bei gutem Verstand und beschränkter Geldtasche wird an der Tankstelle stehen und für seine E-Fuel-Füllung achtmal mehr zahlen wollen als daneben der Fahrer eines E-Autos?

Möglichkeiten und Grenzen der E-Autos

Elektromobilität

Von der Produktion bis zur Entsorgung brauchen Elektroautos im Vergleich zu Fahrzeugen mit einem Verbrennungsmotor im optimalen Fall nur ein Achtel der Ressourcen. Darauf wies das Umweltbundesamt kürzlich bei einem Pressegespräch hin.

Ganz unbedenklich sind allerdings auch E-Autos nicht. Sie benötigen selten Rohstoffe wie Lithium, Kobalt und Mangan. Steigt der weltweite Autobestand von derzeit 1,25 Milliarden Fahrzeugen bis 2050 auf prognostizierte 2,3 Milliarden Fahrzeuge, wird die Nachfrage nach Lithium beispielsweise auf das 56fache steigen. Um diesen Ressourcenhunger zu bremsen, sollte etwa vermehrt Carsharing in unsere Mobilität einziehen. Auch ein besseres Recycling von Akkus könnte den Rohstoffbedarf reduzieren.

Österreich soll bis 2040 klimaneutral werden. Die vielen Verbrennungsmotoren im Verkehr machen es aber fast unmöglich, dieses Ziel zu erreichen, so das Umweltbundesamt.

https://science.orf.at/stories/3218433/

Rangliste der Klimasünder

Studie

Die Gase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O) haben seit der vorindustriellen Zeit den größten Teil der Klimaerwärmung verursacht. Das hat ein Forschungsteam der University of East Anglia berechnet.

Umgelegt auf emittierende Staaten trug die USA damit seit 1850 mit 0,28 Grad und fast einem Fünftel der Gesamtemissionen zur Erderhitzung bei. Der Anteil von China liegt bei 0,2 Grad, dahinter kommen Russland mit 0,1 Grad Celsius sowie Brasilien und Indien mit jeweils 0,08 Grad.

https://science.orf.at/stories/3218453/

Grönland-Eisschild auf halbem Weg zum Kipppunkt

Rasante Schmelze

Zwischen 2003 und 2016 hat das grönländische Eisschild 255 Milliarden Tonnen an Masse verloren. Ein Forschungsteam des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung PIK hat nun zwei Kipppunkte identifiziert, die zu unumkehrbaren Verlusten führen. Wenn wir 1.000 Gigatonnen CO2 emittiert haben, schmilzt der südliche Teil des Gletschers, ohne Möglichkeit, die Schmelze zu stoppen. Die Hälfte dieses Emissionsweges habe die Menschheit bereits zurückgelegt, so der Klimaforscher Dennis Höning vom PIK.

Bei 2.500 Gigatonnen Kohlendioxid in der Atmosphäre wird das grönländische Eisschild unumkehrbar verschwinden und zu einem Anstieg des Meeresspiegels von 7 Metern führen.

https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2022GL101827

Kurz gemeldet

Die Klimabelastung durch Privatjets nimmt zu. Vor allem Kurzstreckenflüge führen zu drastischen Treibhausgasemissionen. Österreich zählte 2022 rund 15.000 Privatjetflüge.

https://science.orf.at/stories/3218467/

Österreich betoniert seine Flächen zu

Hörtipp

Österreich geht mit seinen Flächen sehr verschwenderisch um, um nicht zu sagen fahrlässig: 11,5 Hektar werden hierzulande pro Tag versiegelt. Damit ist das Land europäischer Spitzenreiter in der Bodenvernichtung und weit weg von den 2,5 Hektar, die die Regierung in einem wirkungslosen Lippenbekenntnis als Ziel ausgegeben hat.

Versiegelte Böden beschädigen die Biodiversität, behindern das Versickern von Niederschlägen und führen zu Überschwemmungen.

Dass ein anderer Umgang mit dem Boden viele Vorteile hat, zeigen Positivbeispiele, die das JOURNAL PANORAMA gesammelt hat.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Krisen nicht gegeneinander ausspielen

Mit dem ersten Oktober sind die Spritpreise um durchschnittlich 8 Cent pro Liter gestiegen. Seit Monatsbeginn hat der Kohlendioxidausstoß in Österreich – auch abseits des Emissionshandels für große Betriebe – einen Preis, nämlich 30 Euro pro Tonne. Bedenkt man, dass wir vor kurzem noch deutlich mehr als zwei Euro für Treibstoffe bezahlt haben, wirkt diese Erhöhung nachgerade verschwindend klein. Dennoch wurde die Einführung der CO2-Steuer aufgrund der Teuerung und der Energiekrise um drei Monate verschoben. Und auch wegen des Oktobertermins gab es eine Reihe von Protesten. Angesichts der vielen Krisen solle man die „Klimasteuer“ hintanstellen, so vielfach die Begründung.

Für viele Lobby-Gruppen ist das Ausspielen der Krisen gegeneinander ein beliebter rhetorischer Kunstgriff. Die Priorisierung der einen Krise gegenüber einer anderen dient vielleicht Partikularinteressen, geht jedoch völlig an allen intelligenten Lösungsansätzen vorbei. Biodiversitätskrise, Energie- und Klimakrise sind miteinander verwoben. Wir können sie nur systemisch und miteinander lösen, nicht eine nach der anderen. Krisen-Auslöser ist in allen Fällen die übermäßige Ausbeutung der Natur und das Abfackeln des Planeten mit fossilen Energieträgern. Es gebe weder Zeit noch Ressourcen dafür, die Krisen nacheinander zu lösen, meinte etwa der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck auf einem G7-Gipfel.

Dem Faktum, dass die Ukraine-Krise die Welternährung gefährdet, steht auf der anderen Seite die Tatsache entgegen, dass 30 Prozent der Lebensmittel weggeworfen werden und jedes zweite Getreidekorn im Futtertrog landet, um ineffizient in Fleisch verwandelt zu werden. Dieser Widerspruch ist durchaus lösbar, ohne Einbußen in der Lebensqualität und sogar mit finanziellen Vorteilen für alle.

Natur- und Klimaschutz müssen integraler Bestandteil aller Wertschöpfungsketten werden. Und das geht nur, wenn wir Krisen nicht gegeneinander ausspielen.

Städte erhitzen sich schneller als ländliche Gebiete

Erderhitzung

Städte erwärmen sich fast um ein Drittel stärker als das Umland. Das zeigt die Auswertung der Oberflächentemperaturen von rund 2.000 Städten im Zeitraum 2001 bis 2019. Mehr Grün in der Stadt kann den Temperaturanstieg allerdings mildern.

Im weltweiten Schnitt steigt die Tagestemperatur in Städten um 0,56 Grad pro Jahrzehnt, am Land nur um 0,4 Grad. Wobei es in Städten umso heißer wird, je stärker sie verdichtet sind, was vor allem in asiatischen Metropolen zunehmend zum Problem wird. So liegt dort der Temperaturanstieg über 10 Jahre bei 0,71 Grad.

Temperaturanstieg in Städten größer als auf dem Land – news.ORF.at

Australien will Artensterben stoppen

Maßnahmenplan für Biodiversität

Mit einem Aktionsplan möchte die australische Regierung seine Flora und Fauna besser schützen. Im Zentrum der Schutzbestrebungen stehen 20 Regionen und 110 Arten. Dazu zählen etwa Koalas und Wombats, Opossums oder der Rotschwanz-Rabenkakadu samt 30 Pflanzenarten. Australien sei der weltweite Spitzenreiter beim Aussterben von Säugetieren, so die australische Umweltministerin.

Australien will Artensterben stoppen – news.ORF.at

Kurz gemeldet

Ein Achtel aller Vogelarten weltweit ist vom Aussterben bedroht. Das zeigt Birdlife in seinem alle vier Jahre erscheinenden Bericht „State of the World’s Birds“. Bei fast der Hälfte aller Vogelarten geht der Bestand demnach zurück.

Bericht: Eine von acht Vogelarten vom Aussterben bedroht – science.ORF.at

Grönland hat heuer den wärmsten September seit 1979 erlebt. Im langjährigen Schnitt war es in diesem Monat um mehr als acht Grad wärmer als üblich.

Grönland: Temperaturspitzen im September – news.ORF.at

Hörtipps

Hochgebirge im Klimawandel

Schon seit Jahren taut der Gipfel des Sonnblick auf. Das Gestein musste teuer stabilisiert werden. Erst im Juli stürzte ein Teil der Südtiroler Marmolata auf Wanderer. Das sind die sichtbaren Zeichen des Klimawandels im Hochgebirge. Vieles passiert langsamer und unmerklich, wie die DIMENSIONEN dokumentiert haben.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/klima

Klimainnovation: Bildung, Wirtschaft, Wohnen, Soziales

Manchmal braucht es nur wenig, um Nachbarschaften, Grätzel oder Gemeinden lebenswerter zu machen: eine gemeinsame Begrünung kann ebenso dazu beitragen wie Outdoor-Möbel, die auch jene nutzen können, die keinen eigenen Balkon haben. In den Bundesländern wiederum schließen sich Menschen zu Energiegemeinschaften zusammen oder gründen eine soziale Landwirtschaft.

Das RADIOKOLLEG präsentiert diese Woche klimainnovative Projekte aus den verschiedensten Lebensbereichen – von Bildung bis Soziales. Sie entstanden als zivilgesellschaftliche Initiativen und wurden für das Ö1-Projekt „Reparatur der Zukunft“ eingereicht.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/soziales

Wärmere Ozeane sind lauter

  1. April 2022

Der Mensch kann schlecht mit Unsicherheit umgehen. Wir lieben Gewissheiten. Die können uns aber nur Religionen geben, so fragwürdig auch immer sie sein mögen. Zu den zentralen Spielregeln der Wissenschaft hingegen gehört, dass ihre Erkenntnisse immer widerlegbar sein müssen – und manchmal auch widerlegt werden. Manche rechnen ihr das als Schwäche an. Dabei ist das genau die Stärke der Wissenschaft.

Auch in der Klimaforschung haben sich manche Voraussagen verändert. Leider nicht unbedingt in jene Richtung, die zu unserer Entspannung beitragen würden. Bereits 2001 wurde im 3. Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC die Möglichkeit von Kipppunkten in unserer Atmosphäre und unseren Ökosystemen angesprochen – das sind jene Momente, ab denen ein Ereignis wie das Abschmelzen des Grönländischen Eisschildes unumkehrbar wird.

2008 hat der deutsche Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber mehr als ein Dutzend solcher tipping points aufgrund der Erderwärmung publiziert. Dazu gehört etwa der Zusammenbruch der Nordatlantischen Umwälzströmung. Sie hat sich schon jetzt um 15% verlangsamt. Bleibt dieses gigantische Energieförderband stehen, kommt es im nordatlantischen Raum zu einer dramatischen Abkühlung. Durch die Erderwärmung könnte auch der Indische Monsun destabilisiert werden. Das hätte mehr Dürren und Flutkatastrophen zur Folge, um nur zwei Beispiele zu nennen.

2019 haben Schellnhuber und seine Kolleg:innen ihre Prognosen revidiert und gewarnt, dass die Kipppunkte wahrscheinlicher und zeitlich näher sein könnten, als zuvor angenommen. Ging man vor zwei Jahrzehnten noch davon aus, dass sie erst bei einer globalen Erwärmung von 5 Grad auftreten, gelten manche Kipppunkte auch schon bei einem Temperaturanstieg von 1 bis 2 Grad als wahrscheinlich. Und wie vor einigen Wochen erwähnt, stehen wir momentan bei einer durchschnittlichen Erderwärmung von 1,1 Grad, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Amundsen See-Einbuchtung in der Westantarktis könnte diesen point of no return bereits überschritten haben. Und auch für das Grönländische Eisschild könnte der irreversible Abschmelzprozess schon bei 1,5 Grad Erwärmung starten – möglicherweise in den 2030er-Jahren. Vom Auftauen der Permafrostböden haben wir ja erst vor kurzem im Ö1 Klima-Newsletter berichtet.

Insofern ist das Paris-Ziel von 1,5 Grad nicht der sichere Klima-Hafen, wie viele meinen, sondern nur ein Zielwert zur Schadensminimierung. In Wahrheit zählt jedes Zehntel Grad, das wir vermeiden können.

Wärmer Ozeane sind lauter

Biodiversität

Steigt die Temperatur in den Meeren, können sich die Schallwellen schneller ausbreiten. In der arktischen Barent See oder im nordwestlichen Pazifik ist die Schallgeschwindigkeit in einer Tiefe von 50 Metern bereits um ein Prozent gestiegen, wie eine kanadische Studie zeigt. Gleiches gilt für die Arktis, den Golf von Mexiko oder die südliche Karibik 500 Meter unter der Wasseroberfläche. Für die Meerestiere wird sich damit die Kommunikation möglicherweise folgenschwer wandeln. „Die Veränderung der Schallgeschwindigkeit beeinflusst auch ihre Fähigkeit zur Nahrungsaufnahme, das Paarungsverhalten oder die Flucht vor Räubern“, so die Autoren.

Warming oceans are getting louder – AGU Newsroom

Riesiger Eisberg abgebrochen

Ostantarktis

Bereits Mitte März dürfte sich ein Eiskoloss in der Größe Roms vom Festland der östlichen Antarktis gelöst haben.  Die NASA-Expertin Catherine Colello Walker beschrieb die Ablösung des sog. Conger Eisschelfs im Guardian als „einen der bedeutsamsten Abbrüche in der Antarktis seit den frühen 2000er Jahren“ und als „Anzeichen für das, was kommen mag.“

Im Gegensatz zur Westantarktis ist ein Abschmelzen der Ostantarktis zwar unwahrscheinlicher. Aber auch hier könnte durch punktuelle Ereignisse ein nicht mehr zu stoppender Eisverlust in Gang gesetzt werden – mit einem langfristigen Meeresspiegelanstieg von 3-4 Metern.

Riesiger Eisberg in östlicher Antarktis abgebrochen – science.ORF.at

Wie Gas in der Industrie ersetzen?

Energiewende

8,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht Österreich pro Jahr. Mehr als 70 Prozent davon gehen in die Industrie, einerseits als Energieträger, andererseits auch als Rohstoff für chemische Produkte oder Düngemittel. Der größte Verbraucher ist der Chemiesektor, gefolgt von der Papier- und Zellstoffproduktion und der Stahlindustrie. In einigen Bereichen, etwa der Lebensmittelindustrie, könnten Trocknungsprozesse statt mit Gas über Biomasse betrieben werden. Auch in der Stahlindustrie seien Verfahren mit Strom statt Gas möglich, allerdings mit einer Umstellungszeit von 10-15 Jahren, so Ilse Schindler vom Umweltbundesamt in Wien.

Weniger Erdgas: Wie der Energiewechsel funktionieren könnte – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Australischen Forscherinnen ist es gelungen, hitzetolerantere Korallen zu züchten. Am Great Barrier Reef hat gerade wieder eine temperaturbedingte Korallenbleiche eingesetzt.

Ökologie: Hitzetolerante Korallen am Great Barrier Reef – science.ORF.at

Podcast NACHHALTIG LEBEN

TIPP

Jeden zweiten Freitag fragt Ruth Hosp in der Sendung NACHHALTIG LEBEN (11.55 Uhr), wie ein ökologisch verträglicher Lebensstil aussehen könnte. Es geht um „grünes“ Reisen genauso wie um den Ausstieg aus der ressourcenverschlingenden „Fast Fashion“. NACHHALTIG LEBEN ist auch als Podcast abonnierbar.

https://radiothek.orf.at/podcasts/oe1/oe1-nachhaltig-leben

Sendungen zum Thema aus dem gesamten Ö1-Angebot, von DIMENSIONEN über MOMENT bis zum RADIOKOLLEG sind dauerhaft unter https://oe1.orf.at/nachhaltigleben nachhörbar.