Schlagwort: Pilze

Eiweißwende

Manchmal zahlt es sich aus, auch ein Massenmail genauer zu lesen. So flatterte mir jüngst eine Einladung zum Soja-Weltkongress in Wien (18. – 23. Juni) ins Postfach. Da ich hin und wieder mit den prima Eiweißlieferanten koche (es schadet nicht, die Sojaschnitzel mit einem intensiven geschmacklichen Umfeld zu „boosten“), zog mich der Betreff an.

Offenbar wurde die Bohne zum ersten Mal vor 150 Jahren, anlässlich der Weltausstellung, in Wien präsentiert. Eineinhalb Jahrhunderte später klaffen Angebot und Bedarf in Europa eklatant auseinander: Nur ein Prozent der EU-Ackerfläche gehört dem Sojaanbau. Deshalb müssen wir 34 Millionen Tonnen Soja importieren, wie die Universität für Bodenkultur in ihrer Aussendung schreibt.

Gleichzeitig wird Soja als Ersatz für die klimaschädliche Fleischproduktion immer beliebter. Umso notwendiger ist es, die Bohne auch regional zu kultivieren, statt sie aus fernen Weltgegenden heranzuschiffen.

In der rauen Ernährungswirklichkeit wird der Großteil der weltweiten Sojabohnen-Ernte an Tiere verfüttert. Aufgrund unseres Fleischhungers hat sich die weltweite Sojaproduktion in den letzten 60 Jahren mehr als verzehnfacht (laut WWF von 27 Mio. Tonnen auf 360 Mio. Tonnen). Allein für den Bedarf Europas hat Brasilien zuletzt jedes Jahr Regenwald im Flächenausmaß Berlins gerodet. Im Jahr 2020 etwa brauchte die europäische Landwirtschaft 30 Millionen Tonnen Sojaschrot in der Tiermast.

Dass die Fleischproduktion energetisch ein Verlustgeschäft ist, ist längst bekannt. Ein Kilogramm Fleisch verschlingt ein Vielfaches an Getreide oder Soja.

Die Wissenschaft spricht deshalb schon von der Eiweißwende, die wir zur Bewältigung der Klimakrise ebenso brauchen wie zum Wohle unserer Gesundheit, der weniger Fleischkonsum nur nützt. Und das bedeutet auch, unsere Ackerflächen nicht mehr vorwiegend der Erzeugung von Tierfutter zu widmen, sondern der direkten und abwechslungsreichen pflanzlichen Nahrungsmittelproduktion.

Österreich gehört übrigens zu den größten Soja-Produzenten der EU. Und mehr als ein Drittel des Sojas hierzulande werden biologisch angebaut.

Klimafreundlichere Kühe

Fleischproduktion

Kühe liefern nicht nur Fleisch, sondern auch Methan. Und das ist kurzfristig um ein Vielfaches klimaschädlicher als CO2, je nach Rechnung bis zu 80mal. Die Wissenschaft sucht deshalb nach Verfahren, den Methanausstoß der Rinder zu reduzieren Dazu gehört die Züchtung klimafreundlicherer Kühe. So ist die Methanproduktion im Verhältnis zur Milchproduktion in den letzten Jahren bereits deutlich gesunken, wie Daten der BOKU zeigen. Hoffnungen setzt man aber auch in Futtermittelzusätze wie Rotalgen oder Zitronengras.

So werden Kühe klimafreundlicher – science.ORF.at

11,3 Hektar täglich verbaut

Bodenreport 2023

Seit dem Jahr 2000 wurde in Österreich dreimal die Fläche Wiens verbaut. Das zeigt der neue Bodenreport des WWF. Am meisten verbraucht mit 3,1 Hektar täglich die Steiermark. Selbst in Gemeinden mit sinkender Bevölkerungszahl wir die Siedlungsfläche ausgeweitet, weil Wohn- und Gewerbegebiete an den Ortsrändern entstehen. Beunruhigend ist laut WWF die Tatsache, dass die Bodenversiegelung zugenommen hat. Der Versiegelungsgrad stieg in den letzten Jahren von 40 auf 60 Prozent.

„Bodenreport 2023“: Seit 2000 dreimal die Fläche Wiens verbaut – science.ORF.at

Sieben von acht „Erdgrenzen“ überschritten

Generationengerechtigkeit

Ein Forschungsteam um Johan Rockström vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK hat die Idee der planetaren Grenzen weiterentwickelt und gefragt, durch welche Veränderungen zukünftige Generationen unter Druck geraten könnten. Dazu gehören etwa die Zerstörung von Naturflächen, die Luftverschmutzung, das Schwinden von Wasserreserven oder der exzessive Einsatz von Düngern in der Landwirtschaft. Laut den Berechnungen des Teams sind sieben von acht Grenzen, die künftigen Generationen ein sicheres und gerechtes Leben ermöglichen sollen, bereits überschritten.

Sicheres und gerechtes Leben: Sieben von acht Grenzen überschritten – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Für ein sofortiges europaweites Verbot der Installation neuer Erdgasheizungen spricht sich die Dachorganisation der europäischen Wissenschaftsakademien in einem Bericht aus.

Wissenschaftsakademien für Verbot von Gasheizungen – science.ORF.at

Durch die zunehmenden Dürren nimmt der Regenwald weniger CO2 auf, was in bisherigen Klimamodellen zu wenig berücksichtigt wird.

Regenwald nimmt wegen Dürren weniger CO2 auf – science.ORF.at

TIPP

Breitengrade

Spannende Klimageschichten aus aller Welt, erzählt von lokalen AutorInnen: Das bietet der kostenlose Newsletter Breitengrade aus dem DATUM-Verlag. Die jungen Macherinnen des monatlich erscheinenden Newsletters wollen die Klimakrise als gemeinsame Krise der reichen Länder im Norden und der ärmeren Länder im globalen Süden zeigen und sammeln dafür Reportagen aus entlegensten Weltgegenden.

In einer der jüngsten Ausgaben war etwa zu lesen, warum Chile als einziges Land der Welt auch Pilze in die Umweltgesetzgebung miteinbezieht. Ergänzt werden derlei Reportagen von anderen Kontinenten durch lokale Geschichten im Magazin DATUM, die Newsletter-Abonnentinnen gratis lesen können (z.B. No fungi, no future von Katharina Brunner).

Um erzählen zu können, wie das Wandelröschen als invasives Kraut Indiens Artenvielfalt bedroht, arbeiten die Autorinnen von Breitengrade mit JournalistInnen aus aller Welt zusammen.

Pilz-Proteine und gefährdete Haie

Es ist ein besonderer Moment, wenn Wissenschafter:innen plötzlich zu Aktivist:innen werden. Schließlich hat die Forschung vom Selbstverständnis her ja Distanz zu ihrem Gegenstand zu bewahren. Aber genau diese Wandlung hin zum Aktivismus ist in der Klimaforschung immer öfter zu beobachten.

Eine zentrale Figur des wissenschaftlich fundierten Protests ist Peter Kalmus. Auf Twitter folgen ihm unter dem Nickname @ClimateHuman 248.000 Menschen. Jüngst hat sich der NASA-Klimawissenschafter mit anderen an die Eingangstüren der JP Morgan Chase-Bank in Los Angeles gekettet, weil das Geldhaus neue fossile Projekte finanziert.

Wenn Menschen grundlegende Spielregeln ihrer Profession so radikal verändern und von Beobachtern zu Akteuren werden, muss es dafür starke Gründe geben. Der Wiener Politologe Reinhard Steurer diagnostiziert, es handle sich bei den Protesten „um eine angemessene Notwehrreaktion von jenen, die schon heute wissen, wie groß die Katastrophe in wenigen Jahren werden wird, wenn sich unser Kurs nicht grundlegend ändert.“

Noch ist Zeit, die Fieberkurve der Erde verhältnismäßig billig zu drosseln. „Die Kosten für die Emissionsreduktion sind relativ gering und jedenfalls niedriger als die Kosten, die die Auswirkungen der Erwärmung verursachen“, meinte etwa Keywan Riahi vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse in Laxenburg in einem Webinar des Climate Change Center Austria (CCCA). Er ist Mitautor mehrerer IPCC-Berichte. Die Kosten liegen laut Riahi bis 2050 bei 2,6 bis 4,2 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei einer Eingrenzung der Erwärmung auf 1,5-Grad, und bei 1,3 bis 2,7 Prozent bei einem Zwei-Grad-Szenario. 

Wie die Wissenschafter:innen meinen, ist Klimaschutz ein Gewinn für alle. Eine relativ billige Maßnahme, die noch dazu jeden gesünder macht, besteht etwa in einer Hinwendung zu pflanzlicher Ernährung, wie sie am Beginn dieses Newsletters lesen.

Der Politikwissenschafter Steurer ist nur gedämpft optimistisch, was die realistische Einschätzung der Klimakrise betrifft. „Man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, dass sich der Klimanotstand weiter zuspitzen und politische Reaktionen darauf unangemessen bleiben werden.“

Neues Phänomen: Klimaforscher rufen zu Protest auf – science.ORF.at

Umweltschutz durch Fleischreduktion

Ökologie

Wenn wir den globalen Rindfleischkonsum nur um 20% reduzieren und durch pflanzliche Alternativen ersetzen, können wir die nahrungsmittelbedingten Abholzungen bis 2050 weltweit halbieren. Die Verluste von Waldflächen sind für Umwelt und Klima ebenso ein Problem wie die Emissionen aus der Tierhaltung. Rund ein Drittel der vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen kommt aus dem Bereich „Landwirtschaft und Ernährung“.

Um Menschen den Umstieg auf pflanzliche Produkte zu erleichtern, könnte man etwa auf mikrobielles Protein ausweichen. Es wird durch Fermentation (eine sehr alte Kulturtechnik) aus Pilzen gewonnen und ähnelt auch von der Textur her Fleisch.

Der Klimaforscher Florian Humpenöder vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK) hat errechnet, dass dieser Fleischersatz zu einer drastischen Reduktion von Emissionen aus dem Agrarbereich führen würde. Ersetzt man nur 20% des Rindfleischs durch das mikrobielle Protein, lassen sich die landwirtschaftlich bedingten Treibhausgase bis 2050 halbieren.

https://science.orf.at/stories/3212935/

Haie gefährdet

Artensterben

Jede zweite Haiart ist vom Aussterben bedroht. Das berichtet die Tierschutzorganisation „International Fund for Animal Welfare“ (IFAW). Im vergangenen halben Jahrhundert ist der Haibestand auf offener See um 70% zurückgegangen. Daran ist einerseits der Handel mit Haifischfleisch und Haiflossen schuld, andererseits die Zerstörung von Lebensräumen wie Riffen.

Europa spielt beim Handel mit Haifischflossen eine unrühmliche Rolle. 2003 – 2020 kamen 28 Prozent der Flossenlieferungen nach Taiwan, Hongkong und Singapur – den Hauptumschlagplätzen – aus der EU, vor allem aus Spanien. Das sind pro Jahr mehr als 10.000 Tonnen.

Nur ein Viertel der Haiarten ist vom Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) erfasst. Es soll verhindern, dass Arten aufgrund des Handels aussterben.

Artenschutz: Jede zweite Haiart weltweit ist bedroht – science.ORF.at

TIPP: Spannendes Klima-Spiel für alle

„Schaffen Sie bis 2050 die Klimaneutralität?“ Das fragt die Financial Time in einem spannenden Simulations-Spiel mit dem Titel „Can you reach net zero by 2050?“ In diesem Browser-Game kann man sowohl politische und technische Maßnahmen setzen, um die Erderwärmung zu begrenzen, sich aber andererseits auch mit einer Aktivistin, einem Entrepreneur oder einer Politikerin verbünden, um an der Klimakrise arbeiten.

Ich habe im ersten Anlauf mit 1,56 Grad-Erwärmung das 1,5 Grad-Ziel übrigens knapp verfehlt. Aber ich probiere es wieder.

The Climate Game — Can you reach net zero? (ft.com)

Kurz gemeldet

Österreich könnte laut einer Analyse der Österreichischen Energieagentur bis 2027 von russischem Gas unabhängig werden. Dazu müsste u.a. der Energieverbrauch durch Effizienzmaßnahmen um ein Drittel gesenkt werden und die Erzeugung von erneuerbaren Gasen auf 14 Terrawattstunden steigen, während die inländische Erdgasförderung (10 Terrawattstunden) gleichbleibt.

Unabhaengigkeit_von_Gas_aus_Russland_Analyse_AEA_26-04-2022.pdf (energyagency.at)

Wie Humus zum Klimaschutz beiträgt

Hörtipp

Boden ist ein Kohlenstoffspeicher. Und ein riesiger Lebensraum. In einem Gramm Boden finden sich bis zu 10 Milliarden mikrobielle Zellen. Sie bauen Pflanzenreste ab und integrieren sie wieder in die Erde, die so besonders fruchtbar wird. Was wir Humus nennen, sind Reste und Abbauprodukte der Mikroorganismen. Für den nachhaltigen Ackerbau spielt der Humus eine besondere Rolle. Gleichzeitig hat das Bodenleben im Schnitt in den letzten Jahrzehnten abgenommen – ähnlich wie die Zahl der Insekten und Pflanzen auf intensiv landwirtschaftlich bearbeiteten Flächen. Wie man den Humusgehalt im Boden erhöhen kann und wo die Grenzen des Humusaufbaus liegen, zeigen die DIMENSIONEN zum Thema „Lebendiger Boden“. Eine Zusammenfassung der Sendung ist auch auf science.orf.at nachzulesen.

http://oe1.orf.at/nachhaltigleben/oekologie

Böden: Wie Humus zum Klimaschutz beiträgt – science.ORF.at

Lebendiger Boden, 03.05. | Ö1 | ORF-Radiothek