Schlagwort: Seltene Sorten

Plus 1,5 Grad schon in neun Jahren

Bei manchen Diskussionen, auch im privaten Umfeld, bin ich fassungslos, dass die Klimakrise noch immer als parteipolitisches Fronten-Hickhack im Stil von Simmering gegen Kapfenberg gesehen wird. Wenn es ein Thema gibt, das die ganze Welt, von Tuvalu bis Reichenau betrifft, dann ist es die Erderhitzung. Und die nimmt keine Rücksicht darauf, ob man grün, blau oder rot wählt.

Deutlich zeigt sich dies auch an den jüngsten Statistiken über die Sterbefälle in Folge der diesjährigen Hitzewellen. Mindestens 15.000 Menschen sind in Europa seit Jahresbeginn an der Hitze gestorben. Das verkündete Hans Kluge von der Weltgesundheitsorganisation WHO erst vor wenigen Tagen. 4.500 Todesfälle entfallen demnach auf Deutschland, fast 4.000 auf Spanien und mehr als 3.200 auf Großbritannien. Die Klimakrise hat also in jedem Fall Kleinstädte beziehungsweise große Gemeinden ausgerottet.

Die Prognosen für die Zukunft nehmen sich ähnlich düster aus. Machen wir auf dem jetzigen Weg weiter, leben wir im Jahr 2100 voraussichtlich mit durchschnittlich drei Grad mehr (in Europa werden es dann eher 5-6 Grad sein). Und bei diesem Szenario rechnet die WHO mit 90.000 Klimatoten pro Jahr auf unserem Kontinent.

Beschränken wir den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad, werden es noch immer 30.000 Menschen jährlich sein, die an den Folgen der Erwärmung sterben. (Wie wahrscheinlich dies ist und wie rasant wir diesen Wert erreichen werden, lesen Sie übrigens im ersten Beitrag dieses Newsletters.)

Gesundheitlich schlägt der Klimawandel auch bei den Allergikern ein. Wie die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie erst vor ein paar Tagen warnte, nehmen Asthma bronchiale und allergischer Schnupfen durch die erhöhten Temperaturen zu. Die Allergiesaison verlängert sich, die Pflanzen blühen heftiger, dadurch kommt es zu einer höheren Zahl von Pollen. Zusätzlich verändert die Luftverschmutzung die Oberfläche der Allergene und macht sie aggressiver, wie schon mehrfach gewarnt wurde.

Als Mensch, der mit Birken ob ihres Blütenstaubs auf Kriegsfuß steht, bin ich naturgemäß wenig begeistert von diesen Aussichten – ebensowenig von den Prognosen weiter unten im Newsletter, den Juliane Nagiller mit mir gestaltet hat.

Warnung vor bis zu 90.000 Hitzetoten jährlich in Europa – news.ORF.at

WHO: Seit Jahresbeginn 15.000 Hitzetote in Europa – news.ORF.at

Weltklimakonferenz: Klimaschutzpläne führen zu drei Grad plus – science.ORF.at

„Kein Anzeichen für einen Rückgang“

Rasanter Verbrauch unseres CO2-Budgets

Rund 40 Milliarden Tonnen CO2 werden dieses Jahr emittiert werden, das zeigt das diesjährige Global Carbon Budget. Damit wird die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf durchschnittlich 417,2 ppm steigen, 51 Prozent über dem vorindustriellen Niveau.

Zunehmen werden nicht nur die Emissionen aus der Ölverbrennung, was vor allem am Wiedererstarken des Flugverkehrs liegt, sondern auch jene aus der Kohleverfeuerung. „Eine besorgniserregende Entwicklung“, sagt der Nachhaltigkeitsforscher Jan Christoph Minx. Alle wissenschaftlichen Klimaschutzszenarien würden den Kohleausstieg an den Anfang stellen. Denn der Kohleausstieg sollte am leichtesten gelingen und bis 2030 nahezu abgeschlossen sein. Nun sehe man jedoch, dass auch das Einfache schwerfällt, so Minx. Zudem würden hohe Energiepreise die Suche nach neuen Gas- und Ölfeldern befeuern.

Mit sechs Prozent steigen die Emissionen dieses Jahr besonders stark in Indien – ein Land, das seinen Energiebedarf vorwiegend mit Kohle deckt. Indien ist aber auch ein Land, dessen pro Kopf-Emissionen bei nur einem Drittel dessen liegen, was in der EU pro Person ausgestoßen wird.

Sinken werden die Emissionen in China und in der EU – wobei der Rückgang in China auf den dortigen Einbruch der Bauwirtschaft zurückzuführen ist. Betrachtet man alle CO2-Emissionen seit der Industrialisierung, liegt China nur knapp hinter der EU – jedoch mit einem beträchtlichen Abstand zu Spitzenreiter USA – auf Platz drei.

Weltweit ist es dieses Jahr 24 Ländern gelungen, ihre CO2-Emissionen zu senken, obwohl ihre Wirtschaften gewachsen sind, darunter 15 EU-Länder. Diese Reduktionen reichen aber nicht aus, um die Erderwärmung einzudämmen. Nach derzeitigem Stand ist das CO2-Budget für das 1,5 Grad-Ziel bereits in neun Jahren verbraucht. (JN)

www.globalcarbonproject.org/carbonbudget

Zu wenig und falsch deklariert

Fadenscheinige Klima-Hilfsprojekte

Die Frage nach der Finanzierung der Klimafolgen steht im Zentrum der diesjährigen Klimaverhandlungen in Sharm El-Sheikh. Diese Geldfrage wird im Grunde schon seit den 1990er Jahren diskutiert. Bereits 1992 wurde in der UN Framework Convention on Climate Change festgehalten, dass die Industrieländer mehr Geld zur Verfügung stellen, um die Kosten, die in den Entwicklungsländern entstehen, zu decken.

Die Realität sieht jedoch anders aus, wie die Forschung der Pariser Wirtschaftswissenschaftlerin Basak Bayramoglu eindrücklich zeigt. Sie hat gemeinsam mit Kolleg:innen Klima-Hilfsprojekte analysiert, die als solche bei der OECD gemeldet wurden. Rund die Hälfte der analysierten Projekte hatte gar keinen Bezug zu Klimaschutz oder Klimawandelanpassung. Es brauche eine unabhängige Stelle, die die Angaben der Geberländer überprüfe, so die Wissenschaftlerin. Eine Forderung, die ebenso wie jene nach Geld, schon jahrelang gestellt wird. (JN)

https://science.orf.at/stories/3215973/

800 Millionen Arbeitsplätze von Klimawandel betroffen

Chancen durch Energiewende

Klimakrise und Energiewende werden ein Viertel aller Arbeitsplätze weltweit verändern. Das prognostiziert eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Deloitte, die diese Woche bei der COP27 in Sharm El-Sheikh präsentiert wurde. Demnach ist das Arbeitsplatzrisiko im afro-asiatischen Raum am größten. 40% der Beschäftigten arbeiten dort in besonders betroffenen Branchen wie Energiewirtschaft, Bergbau, Industrie, Baugewerbe oder in der Landwirtschaft, die durch Extremwetter sehr gefährdet ist.

Umgekehrt könnte die Bekämpfung der Erderhitzung durch Dekarbonisierung auch Arbeitsplätze schaffen: Laut Deloitte würde die aktive Umgestaltung des Energiesystems bis 2050 mehr als 300 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze bringen, „davon 21 Millionen in Europa, 180 Millionen in Asien-Pazifik, 75 Millionen in Afrika und 26 Millionen in Amerika“, so Deloitte-Klimaexperte Bernhard Lorentz.

Studie: Klimakrise trifft Viertel aller Arbeitsplätze – news.ORF.at

Kurz gemeldet

Die EU hat ihre Klimaziele für 2030 nachgeschärft. So wurde etwa das CO2-Reduktionsziel für Deutschland von 38 Prozent auf 50 Prozent angehoben. Österreich soll den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent senken, statt bisher 36 Prozent.

https://www.orf.at/#/stories/3293015/

Schafnase, Breitarsch, Kronprinz Rudolf

Hörtipp

Fast alle modernen Apfelsorten der letzten 90 Jahre stammen von sechs Stammsorten ab, darunter Golden Delicious, Cox Orange oder James Grieve. Letztendlich sind es diese Züchtungen, die in den Supermarktregalen landen. Sie haben aber aufgrund der nur wenigen „Stamm-Eltern“ zunehmend Vitalitätsprobleme, wie etwa die Anfälligkeit für Schorf bei der beliebten Sorte Topaz.

Tatsächlich gibt es in Österreich rund 1.000 Apfelsorten, die vielfach nicht einmal die Baumbesitzer kennen. Sie tragen so klingende Namen wie Schafnase, Berlepsch, Gravensteiner oder Luisenapfel. Und sie sind es auch geschmacklich wert, wiederentdeckt zu werden.

Die DIMENSIONEN zeigen, wie reglementiert etwa der Anbau der „Clubsorte“ Pink Lady im Vergleich zum „freien“ Obstbau ist.

Schafnase, Breitarsch, Kronprinz Rudolf, 07.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Lesetipp: Arche Noah-Artikel zu modernen und alten Apfelsorten

„Wandel“ oder „Krise“? Klimabildung an Schulen

Hörtipp

In den Lehrplänen ist die Klimakrise ein Randthema. Wieviel Schüler:innen über das Thema erfahren, hängt von den Lehrkräften ab. Dabei bietet fast jeder Gegenstand die Möglichkeit, über das Klima zu reden oder es einzubinden. MOMENT zeigt in einer Reportage aus zwei sehr klimabewussten Schulen im Waldviertel und in Wien, wie dort im Unterricht über die Erderwärmung gesprochen wird.

„Wandel“ oder „Krise“? Klimabildung an Schulen, 08.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Der Rhonegletscher verabschiedet sich

Hörtipp

Seit dem 19. Jahrhundert wird am Schweizerischen Rhonegletscher jedes Jahr eine Eisgrotte in den Gletscher geschlagen. Möglich ist diese Touristenattraktion nur noch, weil das Eis mit Textilplanen vor dem Schmelzen geschützt wird. 

Die Alpengletscher schrumpfen in atemberaubendem Tempo. Wie das JOURNAL PANORAMA zeigt, geht innerhalb eines Monats teilweise ein Meter Eis am Rhonegletscher verloren. Der Gletscherforscher Matthias Huss nennt seine Arbeit dort manchmal „Sterbebegleitung“. Mit den Gletschern verschwindet einerseits ein Wasserspeicher, andererseits werden damit auch Berge instabil, wie etwa das Unglück auf der Marmolata andernorts gezeigt hat.

Der Rhonegletscher verabschiedet sich, 08.11. | Ö1 | ORF-Radiothek