Die Klimakrise ist eine soziale Krise

Ich lasse mich gern überraschen. Manchmal sind Überraschungen aber auch ernüchternd. Jüngst kam ich im Freundeskreis via visualcapitalistmit einer Karte in Berührung, die für alle Länder das Überflutungsrisiko ausweist. Österreich ist nach den Niederlanden das meistgefährdete Land in Europa. Es liegt, was das Überschwemmungs-Risiko betrifft, auf Platz 18 weltweit. Ist es in den Niederlanden der steigende Meeresspiegel, kommen die Fluten in Österreich potentiell von den Flüssen.

Global gesehen liegen die Länder mit den meisten Betroffenen in Asien. So sind allein in China 395 Millionen durch Hochwässer gefährdet, in Indien 390 Millionen. In Vietnam und Bangladesch ist die absolute Zahl der Gefährdeten kleiner, dafür lebt aber ein großer Teil der Bevölkerung in gefährdeten Regionen (Vietnam 46%, Bangladesch 58%). Wie stark die Verbindung zwischen der Klimakrise und den massiven Überschwemmungen in Pakistan ist, hat gerade erst eine Berechnung des Netzwerks World Weather Attribution gezeigt.

Die Karte auf visualcapitalist beruht auf einer Nature-Studie, deren Autor:innen mehrfach auf den Zusammenhang zwischen Überschwemmungsrisiko und Armut hinweisen.

Und genau diesem Zusammenhang zwischen ökonomischer Stellung und Klimakrise widmet sich auch der neue Club of Rome-Bericht, den ich an dieser Stelle schon angesprochen habe.

„Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten“ verlangt fünf „außerordentliche Kehrtwenden“, um der Klimakrise zu begegnen:

  • die Beendigung der Armut
  • die Beseitigung der eklatanten Ungleichheit
  • Empowerment der Frauen
  • den Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems
  • den Übergang zum Einsatz sauberer Energie

So radikal die Ideen klingen mögen: sie haben nichts Umstürzlerisches und lassen sich innerhalb des existierenden Wirtschaftssystems verwirklichen. Die Autor:innen verweisen explizit auf die Notwendigkeit, dass die Lösungen für die globale Mittelschicht „akzeptabel, fair und erschwinglich sein müssen“, um nicht auf heftigen Widerstand zu stoßen. So dürfe die bereits eingeleitete Energiewende auch nicht historische Ungerechtigkeiten perpetuieren, weil sie dadurch die Kluft zwischen Arm und Reich nur noch größer machen und Gesellschaften weiter destabilisieren würde.

Der Aufwand für das neue Miteinander ist nach den Berechnungen des Thinktanks gering: Nur 2-4 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts müssten für eine resilientere Zivilisation und eine nachhaltige Energie- und Nahrungsversorgung aufgewendet werden. Der Markt allein wird diesen Übergang allerdings nicht bewerkstelligen, wie es im Buch heißt. Stattdessen brauche es aktivere Regierungen als bisher.

Und die werden auch die destabilisierende Kluft zwischen Arm und Reich schließen müssen, denn: „Die Umverteilung des Wohlstands ist nicht verhandelbar. Langfristige wirtschaftliche Ungleichheit in Verbindung mit kurzfristigen Wirtschaftskrisen … trägt zu wirtschaftlicher Angst, Misstrauen und politischer Dysfunktion bei.“ Und so sollen nach Meinung des Club of Rome auf die reichsten 10 Prozent der Welt nicht mehr als 40 Prozent des Nationaleinkommens entfallen, auch weil eklatante Ungleichheiten und die damit verbundene ökonomische Machtkonzentration nicht zu langfristigen, nachhaltigen Entscheidungen führen, sondern im Gegenteil die Demokratie gefährden.

Die radikale Kehrtwende müsse allerdings bis 2050 geschehen. Und um niemanden zurückzulassen, schlagen die Autor:innen (zum Club of Rome gehören u.a. Maja Göpel oder Hans J. Schellnhuber) einen Bürgerfonds vor, der die Bevölkerungen „vor unvermeidlichen wirtschaftlichen Disruptionen“ schützt. Gespeist wird dieser Fond u.a. aus dem Privatsektor, der für die Nutzung nationaler und globaler Gemeingüter bezahlen muss – „für die Entnahme von Ressourcen, die unter dem gemeinsamen Schutz aller in der Gesellschaft stehen. Hierzu zählen fossile Brennstoffe, Land, Süßwasser, die Meere, die Mineralien, die Atmosphäre, aber auch Daten und Wissen.“ Die Einnahmen aus dem Bürgerfonds werden gleichmäßig an die Bürger:innen ausgeschüttet.

Im Grunde greift der Club of Rome bei diesen ökonomischen Vorschlägen auf eine breitere Definition des Gemeinguts zurück. Erst vor einer Woche wurde ich von der Künstlerin Giulia Foscari wieder daran erinnert, die die bedrohte Antarktis als Gemeingut bezeichnete, weil sie für das Wohl des Planeten und der globalen Bevölkerung unerlässlich ist.

„Earth for All“ unterlegt diese Vorschläge mit zwei Klimakrisen-Szenarien: so weitermachen wie bisher (Business as usual) und die radikale Kehrtwende (Giant Leap). Diese Szenarien wurden mit einem Programm simuliert, das schon den „Grenzen des Wachstums“ Daten lieferte und in den vergangenen Jahren weiter optimiert wurde. Welche spektakulären Vorhersagen der Club of Rome auf Basis dieser Simulationen macht, schreibe ich Ihnen nächste Woche.

Ihr

Franz Zeller

„Earth for All. Ein Survivalguide für unseren Planeten.“ Oekom Verlag 2022.

EU gegen Abholzung

Importverbot für waldschädigende Waren

Palmöl, Soja, Kakao, Kaffee, Fleisch oder Leder sollen in Zukunft nur mehr importiert werden dürfen, wenn dafür keine Wälder abgeholzt oder verbrannt werden. Dafür hat das EU-Parlament in dieser Woche gestimmt. Der Beschluss muss allerdings noch mit den EU-Staaten ausverhandelt werden, die sich ein weniger strenges Importverbot wünschen.

Abholzung ist derzeit für rund 11 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgase verantwortlich.

Gegen Abholzung: EU-Parlament stimmt für Importverbot – news.ORF.at

Baumsterben

Wälder durch Klimakrise gefährdet

In Mitteleuropa, dem Westen Nordamerikas und dem östlichen Amazonas sind Wälder aufgrund der Fieberkurve des Planeten besonders vom Absterben bedroht. Das zeigt eine interaktive Karte, die in Science veröffentlicht wurde. In den betroffenen Regionen könnten viele Baumarten verschwinden. Damit kann der Wald nicht mehr seine Funktion als Kohlenstoffspeicher erfüllen.  „Aktuell ist im globalen Waldbestand ungefähr genauso viel Kohlenstoff gespeichert, wie in der Atmosphäre. Der Wald nimmt jedes Jahr circa zehn bis zwanzig Prozent der von Menschen verursachten CO2-Emissionen gleich wieder auf“, sagt der Ökologe Rupert Seidl. Nach Aussagen des Forschers der TU München hat sich das Baumsterben allein in Mitteleuropa in den vergangenen 35 Jahren verdoppelt.

Klimarisikokarte: Wo Wälder weltweit besonders gefährdet sind – science.ORF.at

Der Öko-Stups

Hörtipp 1

Längst beschäftigt sich ein eigener Wissenschaftszweig mit der Frage, wie man Menschen dazu bringt, ihr Verhalten zu ändern. Das ist gerade auch in unserem Umgang mit Energie oder Müll notwendig. Beim Abfall hat das „nudging“, also die intelligente Verhaltenslenkung, in Österreich recht gut funktioniert. Beim Glassammeln etwa liegen wir mit 80 Prozent Recyclingquote 10 Prozent über dem EU-Durchschnitt. Unterwegs sind Menschen in Österreich hingegen sehr nachlässig beim richtigen Entsorgen von Müll, wie die DIMENSIONEN anlässlich des World Cleanup Day am 17. September dokumentieren.

https://oe1.orf.at/player/20220914/691158

Jetzt aber wirklich: Energiesparen!

Hörtipp 2

Verhaltensaufforderungen zum Energiesparen funktionieren. Katastrophenkommunikation scheint hingegen keine gute Wahl, wenn man Menschen die Klimakrise nahebringen will. Die Überzeugten fühlen sich zwar bestätigt, aber die Unsicheren reagieren mit Verdrängung, sagt die Verhaltensökonomin Katharina Gangl. PUNKT EINS hat in dieser Woche beleuchtet, wie Energiesparen gelingen kann und wo gerade in der energieintensiven Heizsaison die größten Hebel liegen.

https://oe1.orf.at/player/20220914/691140

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