Autor: Franz Zeller

Wind und Sonne überholen Gas

Sich Flugreisen leisten zu können, ist zu einem Symbol für bescheidenen Wohlstand geworden. In Wien in den Flieger zu steigen und knapp drei Stunden später in Málaga, fast in Sichtweite von Afrika, auszusteigen, hat auch etwas mit befreiender Entgrenzung zu tun. Gleichwohl ist das Fliegen kein unschuldiger Spaß mehr. Es trägt laut jüngstem IPCC-Bericht mit 3,1 Prozent zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Allerdings dürfte die Klimawirkung weitaus höher sein, da auch Wasserdampf und Stickoxide emittiert werden. So geht der Weltklimarat davon aus, dass der Flugverkehr mit rund 5 Prozent an der Erderwärmung beteiligt ist. Ein enormer Wert auch angesichts dessen, dass nur ein verschwindend kleiner Teil der Erdbevölkerung tatsächlich mit dem Flugzeug unterwegs ist bzw. sich Flüge leisten kann.

Welche Veränderungen es bräuchte, damit die Luftfahrt bis 2050 tatsächlich zu einem Netto-Null-Emittenten wird, das hat eine in dieser Woche veröffentlichte Studie  gezeigt. Demnach könnte man durch eine Dämpfung der Nachfrage 61 Prozent der Emissionen einsparen, 27 Prozent durch eine verbesserte Energieeffizienz. Konkret heißt das, die Subventionen des Luftverkehrs zu beenden, wie Jakob Graichen vom Öko-Institut e.V. in Berlin sagt: „Insbesondere [ein Ende für] die Befreiung von der Kerosinsteuer und Mehrwertsteuer auf internationalen Strecken würde sofort die Emissionen senken. Auch eine Verknappung von Slots an Flughäfen, zum Beispiel durch Nachtflugverbote, die diesen Namen wirklich verdienen, würde den Luftverkehr reduzieren. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen ist hilfreich, der allergrößte Teil der Luftverkehrsemissionen stammt allerdings aus der Mittel- und Langstrecke.“

Das deckt sich weitgehend mit den Erkenntnissen des IPCC, der darauf drängt, Langstreckenflüge möglichst zu vermeiden und Kurzstreckenflüge durch den Ausbau des Zugverkehrs überflüssig zu machen. Der Weltklimarat kritisierte im Übrigen in seinem jüngsten Bericht auch, dass der Flugsektor bei seinen Versuchen zum Klimaschutz deutlich hinter anderen Bereichen zurückbleibt.

Sehr gespalten sehen Expert:innen die Chancen für nachhaltige Treibstoffe im Flugverkehr. Erzeugt man sie etwa über Sonnenlicht, bräuchte es „Sonnenkollektoren auf einer Fläche von etwa 40.000 Quadratkilometern, um den derzeitigen Bedarf an Flugkraftstoff zu decken. Das ist enorm, wenn auch viel weniger als die Fläche, die benötigt wird, um den neuen Strombedarf für Heizung und Verkehr zu decken“, wie Anthony Patt, Professor für Klimaschutz und -​anpassung an der ETH Zürich meint.

Unsicher ist auch, wie sich die Kosten für synthetische Kraftstoffe entwickeln werden. Derzeit kosten sie mindestens fünfmal so viel wie fossile Alternativen. „Es ist denkbar, dass sie bis 2035 nur noch doppelt so viel kosten. Die Treibstoffpreise machen etwa 30 Prozent der Flugkosten aus. Eine Verdopplung dieser Kosten würde also bedeuten, dass das Fliegen um 30 Prozent teurer würde als heute, wenn sich sonst nichts ändert“, so Patt. Er hält es allerdings für möglich, dass der klimaneutrale Flugverkehr 2050 nicht teurer ist als heute.

Die Flugindustrie zeigt sich derweil noch wenig engagiert. „Die Definition für nachhaltige Treibstoffe der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO verlangt nur eine Reduktion der Emissionen um zehn Prozent gegenüber fossilem Kerosin – völlig unzureichend mit Blick auf die Ziele für 2050“, kritisiert etwa Jakob Graichen. Deshalb ist für ihn völlig klar: „Von allein wird der Luftverkehr niemals klimaneutral werden. Eine starke Regulierung der Emissionen des Sektors und damit klarer politischer Willen ist unabdingbar.“

Und eine bewusstere Wahl unserer Verkehrsmittel steht wohl auch noch an.

Klimaerwärmung: Wie die Luftfahrt klimafit werden könnte – science.ORF.at

Erstmals mehr Strom aus Erneuerbaren als aus Gas

Energiewende in Europa

Laut Denkfabrik Ember Climate wurden im Vorjahr 22 Prozent des europäischen Stroms aus Solar- oder Windkraft produziert und nur 20 Prozent aus Gas. Damit haben erneuerbare Energieträger das fossile Gas zum ersten Mal bei der Stromerzeugung in der EU überholt. EU-weit konnten so Gaseinkäufe im Wert von zehn Milliarden Euro eingespart werden.

https://www.deutschlandfunk.de/erstmals-mehr-strom-aus-erneuerbaren-als-aus-gas-produziert-100.html

EU verlagert Umweltschäden nach Osteuropa

Konsum-Folgen

Es erinnert ein bisschen an das Floriani-Prinzip, wie die EU mit den schädlichen Umweltfolgen seines hohen Konsums umgeht: Laut einer Studie der University of Birmingham verlagert sie den Treibhausgasausstoß und den Materialverbrauch zu den östlichen Nachbarn, während diese innerhalb der Staatengemeinschaft abnehmen. Auch Brasilien, China und der Nahe Osten seien von dieser Verschiebung der Umweltkosten betroffen, aber am nachteiligsten falle sie für Osteuropa aus. Der wirtschaftliche Mehrwert der Schäden lande hingegen zu 85 Prozent in Europa.

https://orf.at//stories/3302846/

Niedrigere Tempolimits

Umweltschutz

Verkehrsexpert:innen sprechen sich in einem offenen Brief für niedrigere Tempolimits auf Österreichs Straßen aus. Sie plädieren für 30km/h im Ortsgebiet, 80km/h im Freiland und 100km/h auf Autobahnen. Die Limits würden nicht nur Unfälle mit Verletzten und Toten reduzieren, es sei auch „wissenschaftlich zweifelsfrei nachgewiesen“, dass niedrigere Geschwindigkeiten die effektivste Maßnahme zur Reduktion verkehrsbedingter Treibhausgas-Emissionen sind.

Eine Umfrage auf orf.at mit (Stand gestern) rund 50.000 Teilnehmer:innen zeigt, dass etwa die Hälfte eine Geschwindigkeitsreduktion unterstützt. https://oesterreich.orf.at/stories/3192857/

Kurz gemeldet

Eine Begrenzung der Klimaerwärmung auf 1,5 Grad ist derzeit nicht realistisch. Das sagt der „Hamburg Climate Futures Outlook 2023“. Vor allem Unternehmen würden weltweit zu wenig für den Klimaschutz tun.

Studie: Klimaziel von 1,5 Grad nicht realistisch – science.ORF.at

Mehr Pflanzen in Städten können die Zahl der Hitzetoten reduzieren. Damit die hitzebedingten Todesfälle um ein Drittel zurückgehen, müsste die Bepflanzung laut „The Lancet“-Studie auf 30% der Stadtfläche ausgedehnt werden.

Klimaerwärmung: Bäume reduzieren Hitzetote in Städten – science.ORF.at

Wenn die Emotionen kochen

Wenn Sie in einen frittierten Grashüpfer beißen, dann kracht er ähnlich wie Kartoffelchips – und schmeckt auch nicht viel anders. Neugier brachte mich dazu, Insekten schon vor Jahren in Thailand auf ihre kulinarische Tauglichkeit zu testen. Die Aussicht, dass sie jetzt – nach einer Zulassungswelle diese Woche – in Fertignahrung gemischt werden könnten, regt mich nicht sonderlich auf. Ich esse wenig Fertignahrung. Und Insektenmehl wird mich auch nicht dazu verleiten.

Interessant ist allerdings, wie emotional viele Menschen auf die EU-Zustimmung zu Heimchen und Getreideschimmelkäferlarven als Nahrung reagieren. Nachhaltiger als Rind- oder Schweinefleisch sind sie allemal. Gefüttert müssen allerdings auch sie werden. Was pflanzliche Nahrung noch immer zur besseren Alternative macht. Aber ich verweigere mich hier jedem Fundamentalismus. Und wer möchte, soll ruhig in den Buffalowurm beißen.

Noch weitaus emotionaler ist die Debatte auf einem anderen Feld, das sich vielleicht noch einfacher objektivieren ließe – bei der Frage niedrigerer Tempolimits, um den CO2-Ausstoß des Verkehrs zu reduzieren. Im Vergleich zu Zeiten vor der Pandemie sind die Emissionen zwar leicht gesunken, zuletzt nehmen sie aber wieder zu. Vor allem liegen sie noch immer um 50 Prozent über dem Niveau von 1990.

Wie eine deutsche Studie zeigt, liegt das Einsparungspotential durch eine Reduzierung des Tempos auf Straßen deutlich höher als bisher angenommen. Demnach könnte Österreich bei einer Senkung der Höchstgeschwindigkeit von 100 auf 80 km/ h im Freiland und von 130 auf 100 km/h auf Autobahnen 830.000 Tonnen CO2 jährlich einsparen. In Deutschland würde man allein mit der Einführung einer Höchstgeschwindigkeit von 130 km/ h auf Autobahnen 6,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent einsparen. Hier wie dort gehen ob dieser Ideen die emotionalen Wogen hoch.

Ich bin kein sonderlich begeisterter Autofahrer. Wenn ich mich in den Wagen setzen muss, ist es meist ein notwendiges Übel. Will ich wirklich schnell fahren, nehme ich den Railjet. Mit bis zu 230 km/ h komme ich definitiv schneller an viele Ziele als mit dem Auto. Und steuert man Ziele an, die mit dem öffentlichen Verkehr – das ist noch immer die umweltfreundlichste Alternative, trotz E-Mobilität – nicht gut zu erreichen sind, spricht ja auch nichts gegen entspanntes Autofahren.

Österreichs Emissionen stiegen „erwartungsgemäß“

Bilanz 2021

Im Jahr 2021 emittierte Österreich um 3,6 Millionen Tonnen CO2 mehr als im Jahr zuvor, insgesamt 77,5 Millionen Tonnen. Damit hat sich auch der Pandemieeffekt verflüchtigt. Prognosen zufolge gibt es dennoch Grund zu Optimismus: Für 2022 geht das Umweltbundesamt von einem deutlichen Emissions-Rückgang von fünf Prozent gegenüber 2021 aus.

https://orf.at/stories/3302361/

Schlimme Folgen des Meeresspiegelanstiegs kommen früher als erwartet

Neue Satellitendaten

Bis vor kurzem dachte man, das erst ein mehrere Meter hoher Anstieg des Meeres grobe Probleme für die weltweiten Küstenzonen verursacht. Wie eine niederländische Studie nun zeigt, wird bereits bei einer Erhöhung des Meeresspiegels um zwei Meter mehr als doppelt so viel Landfläche überflutet wie bisher gedacht.

Grund für diese Änderung in den Modellen sind neue, genauere Satellitendaten. Sie zeigen, dass viele Küstenregionen tiefer liegen als angenommen. Demnach würde beispielsweise Bangkok mit seinen zehn Millionen Einwohner:innen entgegen früheren Annahmen bei einem Meeresspiegelanstieg von zwei Metern zum Großteil im Wasser versinken. Insgesamt wird bei diesem Szenario der Lebensraum von 240 Millionen Menschen weltweit überflutet.

Aktive CO2-Entnahme aus Atmosphäre notwendig

Mehr Kohlenstoff-Abscheidung und -Speicherung

Aufforstung ist bisher das häufigste Mittel, um CO2 wieder aus der Luft zu entfernen. Diese konventionelle Methode der Kohlendioxidreduktion wird aber zum Erreichen des 1,5 Grad -Ziels nicht reichen, so ein neuer Bericht von Klimaforscher:innen. Dazu brauche es auch industrielle Methoden der Kohlenstoff-Entnahme und -Speicherung. Laut Analyse müssten wir, abgesehen von einer drastischen Emissions-Reduktion, allein bis 2030 30mal so viel CO2 entnehmen wie bisher.

https://science.orf.at/stories/3217193/

Jugend-Delegierte für COP28 und COP29 gesucht

Die CliMates Austria suchen zwei neue Jugend-Delegierte zwischen 18 und 26 für die nächsten zwei UN-Klimakonferenzen. Wer für nationale und internationale Klimapolitik brennt, kann sich hier bis zum 9. Februar 2023 bewerben. Als Jugenddelegierte:r nimmst du gemeinsam mit der österreichischen Delegation an der COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Dezember 2023, und an der COP29 im November 2024 in Tschechien teil. Ziel ist, vor Ort die Stimme der Jugend zu vertreten und die Geschehnisse kritisch zu verfolgen, wie climatesaustria.org schreibt. Das Programm ist zweijährig (!) und wird vom Klimaministerium vollständig finanziert. Gutes Basiswissen bei Klimaschutz und/oder Klimapolitik ist erwünscht

Instagram: https://bit.ly/3IW1s3J

Twitter: https://bit.ly/3XnatHi

LinkedIn: https://bit.ly/3CVxFEa

Kurz gemeldet

Europa leidet schon seit 2018 unter einer anhaltenden Dürre. Dies belegen Satellitendaten, die von der TU Graz ausgewertet wurden. Trotz Überflutungen und anderer Extremwetterereignisse ist der Grundwasserspiegel europaweit seit 5 Jahren problematisch niedrig.

https://www.tugraz.at/tu-graz/services/news-stories/tu-graz-news/einzelansicht/article/satellitendaten-belegen-anhaltend-schwere-duerre-in-europa

Die Klimaerwärmung verändert auch die Insektenwelt. Wie eine österreichische Studie zeigt, ist ein Viertel aller Arten in den letzten 30 Jahren durch neue Arten ersetzt worden. Entgegen früheren Untersuchungen schrumpfte aber die Gesamtanzahl von Insektenpopulationen NICHT.

https://science.orf.at/stories/3217147/

Staub aus Wüstenstürmen und trockenen Landschaften könnte in den letzten Jahren die Erderwärmung gedämpft haben. Das legt einen Analyse von Forscher:innen aus den USA und Europa nahe. Demnach befinden sich 26 Millionen Tonnen Staub in der Atmosphäre, die zum Teil zu einer Beschattung des Planeten führen.

https://orf.at/stories/3301809/

Klimakiller Reichtum

Hörtipp

Stünde allen Menschen auf dem Planeten das gleiche CO2-Budget zur Verfügung, könnte die ärmere Hälfte Chinas ihren Ausstoß sogar noch erhöhen, während ihn jene in den USA drastisch senken müsste. Umweltverschmutzung und klimaschädigendes Verhalten steigen mit dem Reichtum. Die DIMENSIONEN analysieren die sozial ungleiche Lastverteilung in der Klimakrise und diskutieren auch Vorschläge wie eine progressive Besteuerung klimaschädlicher Emissionen.

Klimakiller Reichtum, nachhören im Ö1-Dossier “Nachhaltig Leben”

Klima-Lügen

Diese Woche kam es zu einigen Begriffsverwirrungen. Da wurden Menschen, die Straßen blockierten und sich auf den Asphalt klebten, als „Klima-Terroristen“ bezeichnet. Egal ob man diese Form der Proteste gut findet oder nicht, muss man den Proponent:innen dieses Begriffs attestieren, dass seine Benutzung nur unter großzügiger Umgehung der Großhirnrinde möglich ist. Das Recht zu protestieren, ist durch die Verfassung geschützt. Auch mit Straßenblockaden weiß unser Rechtssystem umzugehen. Zu Verkehrsbehinderungen kommt es auch, wenn in Linz ein Demonstrationszug über die Landstraße zieht oder in Wien über den Ring. Normalerweise sorgen Autofahrer selbst dafür, dass ein Stau entsteht. Sorgen andere dafür, bricht für einige wenige die Welt zusammen. Offenbar ist der selbstgemachte Stau der bessere.

In Deutschland wurde der Begriff „Klima-Terroristen“ vor ein paar Tagen zum Unwort des Jahres 2022 gewählt. Hierzulande vermisse ich diese Sensibilität noch. „Terrorismus“ ist sinngemäß die Verbreitung von Angst und Schrecken. Man könnte nun fragen, wer mehr Angst und Schrecken verbreitet: Leute, die Straßen blockieren, oder jene, die mit dem Aufheizen der Atmosphäre für die Entvölkerung ganzer Weltregionen sorgen werden?

Wie gesagt: ich bin mir über die Effektivität der Proteste der „Letzten Generation“ auch nicht ganz im Klaren. Aber die nun aufkommende Diktion ist beängstigend. Der Wiener FPÖ-Politiker Dominik Nepp postete gar ein Piktogramm, auf dem er das Anpinkeln der Klima-Aktivist:innen propagiert. Das ist zum Fremdschämen. Besonders häufig findet man den Klimaterrorismus-Vorwurf übrigens auf dem der ÖVP nahestehenden Internetportal exxpress.at.

Sein Chefredakteur kritisierte so wie andere diese Woche auch, dass sich zig Wissenschafter:innen in Österreich mit den Anliegen der Klima-Aktivist:innen solidarisierten, darunter etwa der Wissenschafter des Jahres, der Biodiversitätsforscher Franz Essl, oder die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb. Wissenschaft ist keine Glaubensfrage, sondern ein Erkenntnissystem. Seine besondere Stärke liegt darin, dass es Mechanismen entwickelt hat, um Irrtümer wie verdrehte Zahlenreihen, defekte Messgeräte oder auch Betrug möglichst schnell aus sich heraus zu beseitigen. Religiöse Systeme sind nur dogmatisch, durch Verordnung „von oben“ zu ändern. Das System Wissenschaft hingegen kommt durch Methodik und breiten Konsens zu seinen Erkenntnissen. Wen wundert es also, dass die Wissenschafter:innen ihre Daten ernst nehmen und sich auch persönlich dahinter stellen? Viel beunruhigender wäre es doch, würden sie ihren Studien nicht trauen. Traditionell hat sich die Wissenschaft weitgehend aus der Politik herausgehalten. Aber nun scheint die politische Ignoranz gegenüber ihrer Arbeit so provokant geworden sein, dass sie sich deklariert. Für mich durchaus ein Verzweiflungsakt und ein längst überfälliger Bruch mit überlebten Gepflogenheiten.

Und wer der Klimawissenschaft noch immer nicht vertraut, der möge sich seine Informationen über die Erderhitzung bei der Fossil-Lobby holen: Wie eine brandneue Studie zeigt, berechnete der Erdölkonzern ExxonMobil schon in den 70er-Jahren sehr exakt, wie sich das CO2 in der Atmosphäre auf die planetare Erwärmung auswirken würde. Davon mehr in diesem Newsletter, den ich zusammen mit Juliane Nagiller gestaltet habe.

Moore

Verbündete im Klimaschutz

Als ich zum ersten Mal mit Wissenschaftern zu einer kleinen „Moorexpedition“ aufbrach, wurde ich ausgelacht. Ich bin mit Turnschuhen beim vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht. Zum Glück fand sich im Uni-Keller ein Paar Gummistiefel. Mit denen stapfte ich dann stundenlang durchs Moor, völlig fasziniert von den tollen Geräuschen, die entstehen, wenn das Heidekraut nachgibt und der Fuß in der saftigen Nässe des Moors versinkt.

Moore sind unsere besten Verbündeten im Kampf gegen die Erderhitzung. Sie bedecken zwar nur drei Prozent der Landfläche, binden aber etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Biomasse aller Wälder der Erde zusammen. Diese Ökosystemleistung erbringen jedoch nur intakte Moore und intakt ist ein Moor dann, wenn es nass ist. Ein Moor besteht aus 90 Prozent Wasser. Man könne sich das kaum vorstellen, aber ein intaktes Moor habe einen höheren Wassergehalt als Milch, erklärte mir der Moorexperte Harald Zechmeister.

90 Prozent der ursprünglichen Moorfläche Österreichs haben wir bereits verloren. Sie wurden durch Gräben entwässert oder als Torfquelle benutzt. Mit verheerenden Klimawirkungen: Wird dem Moor das Wasser entzogen, dringt Sauerstoff ein, der Zersetzungsprozess beginnt und gebundener Kohlenstoff wird in Form von CO2 freigesetzt. Die weltweite Entwässerung von Mooren verursacht deutlich mehr CO2-Emissionen als der globale Flugverkehr, warnte Imme Scholz, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung bei der Präsentation des neuen Mooratlas (https://www.boell.de/de/mooratlas) diese Woche.

Auch Österreichs Moore emittieren derzeit viel CO2. Von den 10 Prozent der ursprünglichen Moore, die wir hierzulande noch haben, ist nämlich nur ein Bruchteil intakt. Damit unsere Moore wieder zu unseren Komplizen werden, brauchen sie unsere Unterstützung. Die letzten Moore müssen unter absoluten Schutz gestellt, entwässerte Moore wieder vernässt werden. Dass das funktioniert, zeigen viele regionale Beispiele wie beim Blinklingmoos in Strobl oder beim Rottalmoos im Waldviertel. Diese Beispiele zeigen aber auch, das es für einen erfolgreichen Moorschutz neben einer Finanzierung vor allem Bürgerinnen und Bürger braucht, die sich vor Ort für „ihr Moor“ einsetzen. (Juliane Nagiller)

Klimaprognosen

ExxonMobil wusste schon lange und ziemlich genau Bescheid

Die Strategie ähnelt jener der Tabaklobby: So wie diese damals die Gesundheitsschäden des Rauchens jahrzehntelang heruntergespielt hat, verleugneten auch Ölkonzerne lange die Klimafolgen steigender CO2-Emissionen. Bereits 1977 wurde die Konzernleitung von ExxonMobil vor den Folgen der globalen Erwärmung gewarnt. Wie exakt diese Prognosen waren, die Forscher:innen damals im Auftrag des Mineralölkonzerns erstellten, belegt nun eine neue Analyse, die in der Fachzeitschrift Science veröffentlich wurde. Schon vor 50 Jahren berechneten die Wissenschafter:innen des Konzerns beispielsweise eine planetare Erhitzung von 0,2 Grad pro Jahrzehnt.

https://science.orf.at/stories/3217020/

Energiewende

Holpriger Ausstieg

Der Erdgaspreis liegt derzeit wieder auf demselben Niveau wie vor der russischen Invasion in der Ukraine. Das ist eher ein Ausreißer und keine Trendumkehr, analysiert Christoph Dolna-Gruber von der Österreichischen Energieagentur. Zwar ist Österreichs Versorgung für die laufende Heizperiode gesichert, langfristig muss Gas aber effizienter genutzt und eingespart werden, um weniger stark von importiertem Erdgas abhängig zu sein. Die weitere Preisentwicklung wird von vielen Unbekannten beeinflusst: von der Gasnachfrage in China, der Entwicklung des Ukraine-Kriegs und der Ausbaugeschwindigkeit erneuerbarer Energien.

https://orf.at/stories/3298743/

Kurz gemeldet:

Maria-Theresien-Straße, Marktplatz und das Klinik-Areal: Eine neue Klimaanalyse zeigt Innsbrucks Hitze-Hotspots, aber auch die Frischluft- und Kaltluftbahnen, die die Stadt kühlen könnten.

https://tirol.orf.at/stories/3189746/

Die Weltmeere waren 2022 so heiß wie noch nie zuvor in der Messgeschichte. Die Ozeane absorbieren rund 90 Prozent der überschüssigen Wärme, die durch Treibhausgase entsteht. Die Hitze im Meer hat verheerende Auswirkungen auf die marine Tier- und Pflanzenwelt.

Studie: 2022 brachte Temperaturrekord in Weltmeeren – news.ORF.at

Warum ist der Diskurs über die Klimakrise elitär?

Hörtipp I

Die Klimakrise ist nicht ganz gerecht. Sie wird just jene am meisten treffen, die sie am wenigsten verursacht haben, die Ärmsten. Paradoxerweise sind aber gerade die finanziell Schwächeren an der Diskussion um die Erderhitzung am wenigsten beteiligt. Der Klimadiskurs scheint fest in der Hand der gebildeten Mittelschicht. Lösungsvorschläge werden vielfach von den in Zukunft am meisten Betroffenen als Bedrohung empfunden. Woher diese Kluft kommt, dieser Frage ist diese Woche das RADIOKOLLEG in einer aufwändigen Reportage von Johanna Hirzberger nachgegangen.

https://oe1.orf.at/player/20230109/705521

Auto behalten. Oder tauschen?

Hörtipp II

Alte Autos gelten als technologisch veraltete Stinker. Aber macht es wirklich Sinn, sie aus Umweltgründen gegen ein neueres Modell zu tauschen? Selbst ein 20 Jahre altes Fahrzeug ist moderner als viele denken. MOMENT – NACHHALTIG LEBEN hat sich mit pro und contra Altfahrzeug auseinandergesetzt.

https://oe1.orf.at/player/20230110/705596

Erde unter Naturschutz

Einige Tage lang wirkte die COP15 in Kanada so belanglos wie ein 30jähriges Matura-Treffen. Am Montag dieser Woche einigten sich die 196 Staaten in Montreal dann doch auf eine Abschlusserklärung. Bis 2030 sollen mindestens 30% der Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden. Bislang sind es nur 17 Prozent des Landes und sieben Prozent der Meere.

Zu den 23 im Abschlussdokument vereinbarten Zielen zählt auch, umweltschädliche Subventionen jährlich um 500 Milliarden Dollar zu verringern und das Geld teilweise in Naturschutz zu stecken. Auch die Einführungsrate invasiver Arten sowie das Gesamtrisiko durch Pestizide und gefährliche Chemikalien sollen halbiert werden, wie das Science Media Center schreibt.

Die Montreal-Vereinbarung löst die Aichi-Ziele von 2010 ab. Von den damals in Nagoya vereinbarten 20 Biodiversitäts-Zielen wurde bis heute kein einziges vollständig erfüllt.

Der Wiener Ökologe Franz Essl bewertete die COP15 „vorsichtig positiv“. Bei der Umsetzung der Ziele werden aber vor allem die Länder des globalen Südens Hilfe – und das heißt auch finanzielle Unterstützung – brauchen. Denn gerade in diesen Ländern ist ein Großteil der Biodiversität konzentriert, so Essl. 20 Milliarden Dollar sollen die betroffenen Länder bis 2025 von den Industriestaaten jährlich erhalten. Die Summe liegt deutlich unter den Forderungen der Empfängerstaaten. 

Umweltschutzorganisationen beurteilten die Ergebnisse von Montreal sehr unterschiedlich. Greenpeace nannte das Abschlussdokument einen „faulen Kompromiss“. Der WWF bezeichnete die Abschlusserklärung als „lückenhaftes, aber in wesentlichen Punkten brauchbares Abkommen.“ Der Erfolg stehe und falle „mit dem politischen Willen, dieses Abkommen lückenlos umzusetzen sowie die nötige Finanzierung sicherzustellen“, so der WWF. Denn Sanktionsmechanismen für die Nicht-Umsetzung gibt es keine.

Österreich hat gerade erst seine nationale Biodiversitätsstrategie beschlossen. Dazu gehört etwa, 35 Prozent der Landwirtschaft bis 2030 biologisch zu betreiben und die Rote Liste der gefährdeten Arten um ein Drittel zu reduzieren. Auch das Montreal-Ziel, 30 Prozent der Landfläche unter Schutz zu stellen, ist darin enthalten.

Wie der Weltklimarat IPCC bereits mehrmals in seinen Berichten betont hat, sind Klima- und Artenschutz eng aneinander gebunden. Eine intakte Natur schützt uns auch vor einigen unangenehmen Folgen der Erderhitzung.

Allein die Renaturierung und der Schutz von Wäldern, Mooren oder Mangroven an den Küsten könnten ein Drittel der Treibhausgasreduktion bringen, die wir brauchen, um die Erderwärmung auf zumindest zwei Grad zu begrenzen.

Zumindest eines scheint nicht umstritten: dass wir von einem ökologisch möglichst intakten Planeten alle profitieren.

In diesem Sinne verabschiede ich mich für heuer und wünsche Ihnen mit diesem Newsletter, dem bereits 69.ten, eine schöne Weihnachtszeit und alles Gute für 2023.

https://orf.at/stories/3298302/

https://science.orf.at/stories/3216671/

Österreich investiert Milliarden klimaschädlich

WIFO-Bericht

4 bis 5,7 Milliarden Euro pro Jahr gibt Österreich für klimaschädliche Förderungen aus. Das hat das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO für die Regierung erhoben. Der allergrößte Teil, rund 61 Prozent, fließt in den Verkehr. Dazu gehören etwa das Dieselprivileg oder die Pendlerpauschale bis hin zu Steuerbefreiungen für Mietwagen oder Taxis.

38 Prozent oder 1,6 Milliarden gehen in Steuerbefreiungen von fossilen Energieträgern für Energieerzeuger, mit rund 28 Millionen werden klimaschädliche Aktivitäten in der Landwirtschaft gefördert.

Schon 2016 lag die Summe bei 4,7 Milliarden Euro, seitdem habe sich wenig geändert, so Kritiker der klima-kontrapoduktiven Förderungen.

https://orf.at/stories/3298566/

Erderhitzung verändert See-Eis

Warme Winter

Auch wenn wir im Dezember Temperaturen unter Null hatten: Die relativ hohen Temperaturen lassen ein anderes Eis entstehen als starke Kälte. Friert ein See bei extremen Minusgraden, entsteht schwarzes Eis. Es ist spiegelglatt, durchsichtig und sehr stabil. Bei höheren Temperaturen gefriert das Wasser zu weißem Eis. Es ist matt und brüchiger. So soll schwarzes Eis zehnmal tragfähiger sein als weißes.

Forscher:innen der schwedischen Universität Uppsala haben im Winter 2021 auf 31 Seen in verschiedenen Ländern das Eis analysiert und festgestellt, dass sich immer mehr weißes Eis bildet. So starben im Februar 2021 zehn Menschen, weil sie auf schwedischen Seen einbrachen – so viel wie nie zuvor.

Am niederösterreichischen Lunzer See gab es zwischen 1905 und 1915 durchschnittlich 100 Eistage pro Winter, in den letzten zehn Jahren waren es im Schnitt nur mehr 35 Eistage.

https://science.orf.at/stories/3216550/

Tipp

Zu Weihnachten fallen zehn Prozent mehr Abfall an als während des Jahres. Das hat die Wiener MA48 im Jahr 2019 erhoben. Nicht nur die Papier- und Kartonabfälle werden mehr, auch die Lebensmittelabfälle steigen während der Feiertage dramatisch an. Wie man sie vermeiden oder reduzieren kann, dazu hat die Wiener BOKU Tipps zusammengestellt.

Tschechien in der Mobilitäts-Revolution

Hörtipp

Tschechien gehört mit der Slowakei zu den größten Autoherstellern Europas, gemessen an der Einwohnerzahl. Davon zeugen nicht nur die vielen Autozüge, die täglich über die Westbahnstrecke Richtung Deutschland rollen. Tschechien konzentriert sich nach wie vor auf die Herstellung von Verbrennungsmotoren und droht damit den Anschluss an die Elektromobilität zu verlieren. Es gibt zwar erste Anzeichen für eine Änderung dieser Produktions-Philosophie, die Hürden dazu scheinen aber auch von politischer Seite nicht unerheblich, wie das JOURNAL PANORAMA diese Woche dokumentiert.

https://oe1.orf.at/player/20221220/702334

Weniger Schnee

In Obertauern startet heute (2. Dezember) offiziell die Schisaison, auch wenn einige Pisten bereits seit mehr als einer Woche in Betrieb sind. Der Ort in den Salzburger Bergen hat es vergleichsweise gut. Er liegt auf rund 1.660 Metern Seehöhe, die Pisten reichen bis auf 2.300 Meter hinauf.

Schigebiete in mittleren und tiefen Lagen kämpfen schon jetzt mit Schneeproblemen, die sich in Zukunft noch verstärken werden. Die Prognosen dazu liegen längst auf dem Tisch. Auf keine Jahreszeit wirkt sich die Erderhitzung so stark aus wie auf den Winter, schreibt ORF-Meteorologe Daniel Schrott in seinem orf.at-Artikel. In den Niederungen merkt man die Temperaturerhöhungen am stärksten. Laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik ZAMG waren die letzten zehn Winter im Tiefland über zwei Grad wärmer als im Mittel 1961 bis 1990.

Als ich im Herbst 2005 in den Wienerwald zog, erlebte ich einen Winter, in dem von November bis März Schnee lag. Kurz verfluchte ich die Entscheidung für den neuen Wohnsitz. Aber es war der letzte strenge Winter der jüngeren Geschichte, wie auch ZAMG-Daten beweisen.

Paradoxerweise trägt auch die sauberere Luft dazu bei, dass mehr Sonnenschein zur Erde kommt und sie stärker erwärmt als noch vor einem halben Jahrhundert. Selbst der Nebel wird aufgrund fehlender Schmutzteilchen in der Luft weniger. Zudem hat sich das Subtropenhoch nach Norden verschoben und die Bewölkung „weggeräumt“. Die Zahl der Eistage – das sind ganztägig Temperaturen unter null – ist im letzten halben Jahrhundert in den Landeshauptstädten um 75 Prozent gesunken.

Schnee wird so in den Niederungen zum Ausnahmefall. Zumindest in höheren Lagen können wir die Schneedecke durch unser Handeln noch beeinflussen. Ohne Treibhausgasreduktion wird die Schneedeckendauer bis zum Ende des Jahrhunderts in 1500 Meter Seehöhe um mehr als 50 Prozent abnehmen. Halten wir das 1,5 Grad-Ziel ein, sind die Auswirkungen weitaus geringer.

Wie das gehen könnte und was hinter der Psychologie der Klimakrise steckt: Dazu finden Sie in diesem Newsletter auch drei Buchtipps, die die Linzer Buchhändlerin Claudia Settele für uns zusammengestellt hat. Vielen Dank dafür!

https://orf.at/stories/3294980/

EU-Lieferkettengesetz

Österreich stimmt nicht mit

Für ein Lieferkettengesetz hat sich in dieser Woche – ohne die Stimme Österreichs, vertreten durch Minister Martin Kocher – der EU-Wettbewerbsfähigkeitsrat ausgesprochen. Es soll garantieren, dass Zulieferer nicht gegen Umwelt- und Klimastandards sowie gegen Menschenrechte verstoßen.

Details des Gesetzes müssen noch verhandelt werden. Die Kommission schlägt unter anderem vor, dass das Gesetz für Firmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mindestens 150 Millionen Euro Jahresumsatz gelten soll, bei Unternehmen im Bekleidungs-, Schuh- und

Lebensmittelsektor schon ab einer Größe von 250 Mitarbeiter:innen.

https://www.orf.at/#/stories/3296071/

EU-Regeln für Plastikverpackungen

Mehr Kreislaufwirtschaft

In dieser Woche hat die EU auch vorgeschlagen, die Verpackungsrichtlinie zu überarbeiten. Demnach soll bis 2040 um 15 Prozent weniger Verpackungsmüll anfallen als 2018. Zum Beispiel will die Kommission unnötige Einwegverpackungen verbieten und verbindliche Quoten für die Wiederverwendung festlegen. Es soll aber auch mehr recycelt werden: Bis 2030 müssen laut Vorschlag alle Verpackungen recyclingfähig sein und zwischen 10 und 35 Prozent recyceltes Material enthalten. Einheitliche Etiketten sollen außerdem zeigen, in welcher Mülltonne die Verpackung zu entsorgen ist.

Kurz gemeldet

Österreichs Fichtenwälder sind im Klimastress. Mehr noch als der direkte Temperaturanstieg setzen ihnen die damit verbundenen Extremwetter zu, wie Stürme und Trockenheit.

Wald im Klimastress – ORF Topos

Die Buchhändlerin Claudia Settele (Thalia, Linz-Landstraße) mit ganz persönlichen Tipps für „Klima-Bücher“:

Isabella Uhl-Hädicke: Warum machen wir es nicht einfach? Die Psychologie der Klimakrise. Molden.

Seit vielen Jahren wird die Klimakrise von anderen Krisen überlagert, wie zuletzt von der Corona-Pandemie und ganz aktuell vom Ukraine-Krieg, der zufällig am Erscheinungstag dieses Buches begann. Doch wird Klimaschutz nicht bald ernster genommen, könnte die Klimakrise selbst in Zukunft Auslöser für Kriege sein. Weniger Fleisch essen, bewusster konsumieren, mehr Öffis nutzen, Flugreisen vermeiden, Förderung erneuerbarer Energie, mehr Umweltschutzengagement usw. – eigentlich wissen wir, wie klimafreundlich geht! Aber warum machen wir es dann nicht einfach? Unser Verharren in der Bequemlichkeit und unseren Gewohnheiten ist verlockender als das Erkunden neuer Pfade. Auch die Strategie des Wachrüttelns durch Fakten steigert die Bereitschaft für einen klimafreundlichen Lebensstil zu wenig. Die Gründe dafür werden von der Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke sehr ausführlich erklärt. Sie beschreibt, dass unmittelbar nach einer Konfrontation mit einer existentiellen Bedrohung – wie die Klimakrise definitiv eine ist – Menschen in eine Art Schockstarre verfallen. Sie fühlen sich ohnmächtig und gehen in Abwehrhaltung, um das negative Gefühl zu verdrängen. Dieses Buch bietet reichlich Stoff zum Nachdenken und Debattieren, und es werden auch unterstützende Strategien zur Förderung eines “grünen” Lebensstils aufgezeigt. Sehr informativ!

Lea Dohm, Mareike Schulze: Klimagefühle. Knaur.

Angst, Wut, Trauer, Verzweiflung, aber auch Hoffnung und Mut. Die Klimakrise verändert nicht nur unsere Umwelt, sie beeinflusst auch die Psyche. Die beiden Autorinnen (Gründerinnen von “psychologists for future”), aber auch viele direkt Betroffene und klimaengagierte Prominente berichten anhand eigener Erfahrungen, wie es ist, mit starken Klimagefühlen umzugehen. Sie machen Hoffnung, dass positive Veränderung möglich ist und Menschen mit ihren Ängsten, Ärger oder Solastalgie – dem Schmerz um den klimabedingten Verlust bzw. Zerstörung der eigenen Heimat – nicht alleine sind. Wer sich zutraut, sich mit der Klimakrise wirklich auseinanderzusetzen, bei der (dem) werden sich die Gefühle überwiegend zum Guten entwickeln. Bestenfalls ergibt sich daraus ein Handeln, das stärker im Einklang mit den eigenen Werten und Grundbedürfnissen ist. Wir alle sind gefordert! Mir persönlich hat das Buch sehr geholfen mit meinen Gefühlen bzgl. der Klimakrise und ihren möglichen Folgen umzugehen. Leicht lesbar, realistisch, ermutigend – große Empfehlung!

Earth For All. Ein Survivalguide für unseren Planeten. Oekom.

Wie kann die überaus wichtige und dringende Transformation unserer (Um)Welt gelingen? –

“Business as usual” ist keine Option mehr, denn wir befinden uns auf einem katastrophalen Kurs in punkto Klimakrise und ihre Folgen. Der einzige Weg in eine weiterhin lebenswerte Zukunft sind umgehende, entschlossene und v. a. mutige weltweite Regierungsmaßnahmen – für uns Menschen und für unseren Planeten. Wie das funktionieren könnte, wird in diesem wissenschaftlich fundierten, neuen Bericht des Club of Rome mit seinen klaren Botschaften und Lösungsansätzen sehr anschaulich beschrieben. Eine Pflichtlektüre, ganz besonders für alle Regierungs- und Wirtschaftsverantwortlichen!!!

Ökologische Altbausanierung in der Stadt

Hörtipp

Vor allem Altbauten sind bei der Umrüstung von fossilen Energieträgern wie Gas und Heizöl auf nachhaltige Energien eine Herausforderung. Aber auch in Städten wie Wien, wo noch immer 440.000 Gasthermen in Betrieb sind, ist ein Heizen ganz ohne Öl und Gas möglich. Das zeigt die Sendung DIMENSIONEN. Gerhard Bayer von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik schlägt etwa vor, die in der Stadt enthaltene natürliche Wärme „aufzusammeln“. Mittels Solarkollektoren und Abwärmenutzung lassen sich die emissionslosen Wärmequellen anzapfen. Die gewonnene Wärme könnte über Erdsonden im Boden gespeichert werden. Ein Pilotversuch im Wiener Bezirk Hernals liefert erste Erfahrungen.

Neue Wärme in alten Mauern | DI | 29 11 2022 | 19:05 – oe1.ORF.at

Energiewende: Die Stadt als Heizkörper – science.ORF.at

„Es ist alles sehr kompliziert“

Erst diese Woche habe ich wieder von einer Umweltpsychologin gehört, dass Menschen auf Negativszenarien wie jene der Erderhitzung meist mit Schockstarre reagieren. Und sich dann mehr oder weniger argumentativ totstellen. Deshalb suche ich immer nach positiven Berichten und bejahenden Zukunftsszenarien. Manchmal will mir das aber nicht so gelingen, wie ich das gerne hätte. Dabei liegen diese Szenarien ja längst auf dem Tisch. Etwa: Weniger Fleisch essen reduziert die Treibhausgase, reduziert Gesundheitsprobleme, reduziert den Temperaturanstieg und verlängert das Leben. Klimaschutz macht also gesünder.

Nicht immer sind die Zusammenhänge aber so einfach und überschaubar (abgesehen davon, dass es nicht nur individuelle Verhaltensänderungen braucht, sondern vor allem handfeste politische Vorgaben). Das wurde mir ebenfalls diese Woche (wieder) bewusst, als ich einen Vortrag über gesundheitliche Auswirkungen der Erderhitzung nachsah. Hanns Moshammer von MedUni Wien zeigte darin, wie komplex sich unser Experiment mit der Erdtemperatur auf Leben und Sterben auswirkt.

Bei Temperaturen von 32 Grad sterben am selben Tag zum Beispiel 20 Prozent mehr Menschen als sonst üblich, am Tag darauf noch immer 10 Prozent mehr, ab dem 4. Tag kommt es zu einer Untersterblichkeit, wie die Daten von Hanns Moshammer zeigen. Am meisten betroffen sind Menschen, die schon eine Vorerkrankung haben. Vor allem Menschen mit Atemwegserkrankungen scheinen mit Extremtemperaturen am wenigsten umgehen zu können. Auch Menschen „mit schlechterem sozio-ökonomischen Status“ sind gesundheitlich mehr vom Klimawandel betroffen als Begüterte. Und nicht immer ist die „Temperatur an sich“ gefährlich: hohe Temperaturen führen zu schlechterem Schlaf, verminderter Konzentration und aggressiverem Verhalten – alles Dinge, die unsere Gesundheit direkt oder indirekt beeinflussen.

Gleichzeitig hat Moshammer herausgefunden, dass sich Menschen an die steigenden Durchschnittstemperaturen angepasst haben – nicht jedoch an gravierende Ausschläge nach oben oder unten. (Bei extremer Kälte kommt es zum Beispiel zu einer zeitverzögerten Übersterblichkeit.)

Bei Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen wiederum gibt es Hinweise, dass die psychischen Auswirkungen etwa in Folge auch verzögert auftretender Traumatisierungen noch gravierender sind als die physischen.

Für ebenso bedeutend hält Moshammer die Klimafolgen, die aus anderen Weltteilen zu uns überschwappen: So steigt etwa der Gehalt von Aflatoxinen in importierten Lebensmitteln – das sind hitzebeständige Schimmelpilzgifte.

Dinge wie diese erfahren Sie übrigens auf der Webseite von scientists4future. Unter wissen4future informiert das Team von Wissenschafter:innen in Online-Vorträgen und Videos über grundlegende Mechanismen des Klimawandels ebenso wie die Verkehrs- oder Energiewende.

Und um noch ein weiteres positives Projekt zu erwähnen: Klimaministerin Leonore Gewessler plant ein Vernichtungsverbot für neue und neuwertige Waren. Mehr dazu am Beginn dieses Newsletters.

Vernichtungsverbot für Retouren und Ladenhüter geplant

Zu viele Neuwaren werden vernichtet

Nach Schätzungen von Greenpeace werden in Österreich jährlich 4,6 Millionen Kilo ungenutzter Textilien vernichtet. Auch 120.000 Retourenpakete mit Elektrogeräten landen im Müll. Gerade Online-Versandhäuser machen sich häufig nicht die Mühe, die retournierten Waren erneut anzubieten.

Da die Produktion von Kleidung und Elektronik ressourcenintensiv ist, will Umweltministerin Gewessler nächste Woche mit Branchenvertretern Gespräche starten, um ein Vernichtungsverbot für Neuwaren und neuwertige Waren umzusetzen. Es seien allerdings „dicke Bretter, die wir hier bohren“, wie die Ministerin gegenüber der APA bemerkte. In Spanien, Frankreich und Deutschlands gibt es bereits solche Vernichtungsverbote.

Tod durch Feinstaub

Fast eine Viertelmillion Tote in Europa

240.000 Menschen sind in der EU im Vorjahr durch Feinstaub gestorben. Das schätzt die EU-Umweltagentur EEA. Zwar sind die Todesfälle seit 2005 um 45 Prozent zurückgegangen, aber vor allem städtische Bereiche liegen bei den Feinstaubwerten über den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation. Die feinen Partikel verursachen Herz- und Lungenkrankheiten sowie Schlaganfälle.

Positiv: Da die Tendenz seit Jahren nach unten geht, könnte die EU ihr Ziel einer 55- prozentigen Feinstaubreduktion bis 2030 erreichen.

EU-Umweltagentur: 240.000 vorzeitige Todesfälle wegen schlechter Luft – science.ORF.at

Kurz gemeldet:

Da die Winter immer milder und schneeloser werden, verlieren das Schneehuhn und andere Tiere ihre Tarnung. Ein weißes Fell oder Federkleid erfüllt nur auf weißem Untergrund seine Funktion.

Klimaerwärmung: Das Schneehuhn verliert seine Tarnung – science.ORF.at

Was hat die Klimakonferenz in Ägypten gebracht?

Hörtipp

„Enttäuschend!“ Das ist das Wort, das am öftesten zu den Ergebnissen der Klimakonferenz in Ägypten zu hören ist. Weder wurde der Ausstieg aus Öl und Gas fixiert, noch weiß man im Detail, wie der angekündigte Fonds für Klimaschäden in vulnerablen Ländern finanziert werden soll. Auch China als mittlerweile größter Verursacher von Treibhausgasen weltweit hat sich jeglicher Verantwortung entzogen. Im JOURNAL PANORAMA hat u.a. die Klimaforscherin Birgit Bednar-Friedl über die Ergebnisse der COP27 diskutiert.

https://oe1.orf.at/programm/20221121

Empört euch – aber nicht infantil

#65

Empörung kann so groß werden, dass sie einem manchmal den Blick verstellt. Was schlussendlich zu kurzsichtigen Analysen führt. Das ist momentan auch im Umgang mit den musealen Schüttaktionen von Klima-Aktivist:innen zu beobachten. Deshalb lesen Sie heute in der Einleitung zum Ö1 Klima-Newsletter ein Pro und Contra zu den umstrittenen Aktionen, die mit dem Öl-Film auf Klimts „Tod und Leben“ im Leopold-Museum am Dienstag dieser Woche auch unser Land erreicht haben.

Gemälde wie jenes von Klimt sind zwar meist in Privatbesitz, aber dürfen durchaus als Gemeingut bezeichnet werden. Sie gehören in ihrer Essenz allen Menschen.

Viele Regionen dieser Erde sind ebenfalls Privateigentum. Aber auch die Amazonasregion und seine Insekten sind Gemeingut. Sie garantieren dem gesamten Globus Lebensqualität.

Erstaunlicherweise kocht die Empörung bei der Beschädigung eines 180 mal 200 Zentimeter großen Gemäldes weitaus stärker auf als bei der Beschädigung des Planeten. Im Fall der Kunst funktioniert der Rechtsstaat blendend: Jene, die das durch Glas geschützte Bild mit einer ölartigen Flüssigkeit beschmiert haben, werden wegen Sachbeschädigung zur Verantwortung gezogen. Im Fall der nachhaltigen Beschädigung des Planeten gibt es wenige Gesetze mit derart klaren Konsequenzen wie im Fall der Verunstaltung des Klimt-Exponats.

(Den ruinösen Umgang mit unseren Lebensräumen anzuzweifeln, gilt nicht: 99 Prozent der Wissenschafter:innen sind sich diesbezüglich einig. Und: Wissenschaft ist ein Denk- und Lösungsfindungssystem, keine Glaubensfrage.)

Diesen Widerspruch thematisieren auch viele auf Twitter: „Man kann das befremdlich und ungesittet finden. Aber die wahre Unsitte ist es, unsere Lebensgrundlage zu zerstören und dann junge Menschen anzugreifen, die verzweifelt dagegen protestieren. Das kann doch nicht unser Ernst sein“, schreibt etwa der junge Mati Randow, der als Schüler:innenvertreter mit seinen intelligenten Analysen bekannt wurde. (Ähnliches wird wohl für die Uni-Besetzung in Wien gelten.)

Ich mag mich nicht auf die Frage einlassen, warum die Ressentiments gegen (temporäre) Kunstverschandelung weitaus größer sind als gegen die Zerstörung des Planeten; es mag ein Rock’n Roll-Phänomen sein – ähnlich wie die Stockkonservativen in den 50er Jahren die neue Musik der Jungen samt ihrer Mode ablehnten, lehnen sie jetzt die Welt-Analysen der Jungen ab. Aber die Wahrheit ist mit Sicherheit weitaus komplexer.

Wir sollten darüber hinaus zur Kenntnis nehmen, dass es den Vertreter:innen der Letzten Generation nicht um die Beschädigung der Kunstwerke geht. Einer der Klima-Aktivist:innen aus dem Leopold-Museum schreibt fast flehentlich: „Ich bin wirklich sehr sorgfältig vorgegangen um wirklich nichts zu beschädigen. Bitte lasst uns mit unserer Lebensgrundlage ab jetzt auch so sorgfältig umgehen.“

Aber mindestens ebenso wichtig scheint mir die Frage, ob diese Aktionen geeignet sind, mehr positive Aufmerksamkeit für die Klimakrise zu generieren. Und da lautet die Antwortet nach allen verfügbaren Daten: nein! Die Pennsylvania State University dokumentierte nach einer Reihe von Straßenblockaden, Kunst- und Klebeaktionen (natürlich in den USA) die Reaktionen der Bevölkerung. 46% lehnen die „gewaltfreien, disruptiven Klima-Proteste“ ab. Bei vielen “reduzieren sie sogar die Unterstützung für die Lösung der Klimakrise“. Wie infantil diese Reaktion auch sein mag – sie scheint Tatsache zu sein und steht den Zielen der Klimarettungs-Bewegung diametral gegenüber, denn nur bei 13% der Bevölkerung führen die Aktionen zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für die Erderhitzung. Ähnliche Zahlen gibt es aus Österreich, erhoben vom Nachrichtenmagazin profil. Demnach liegt die Ablehnung derartiger Proteste hierzulande bei über 50%.

Insofern muss man dem verständnisvollen Direktor des Leopold-Museums, Hans-Peter Wipplinger, Recht geben: „Die Anliegen von Klimaaktivist*innen wie jenen der Letzten Generation sind berechtigt, aber der Angriff auf Kunstwerke ist definitiv die falsche Richtung, um das angepeilte Ziel, die Verhinderung des prognostizierten Klimakollaps, zu verfolgen.“

Ähnliche Analysen gibt es übrigens von vielen Menschen, die die Dringlichkeit der Klimakrise erkannt haben.

Dessen ungeachtet möge die Empörung sich dorthin richten, wo sie ihre Berechtigung hat: auf die Zerstörung dieses Planeten und nicht auf verzweifelte punktuelle Protestaktionen von verzweifelten und mit der Sorge um uns alle angetriebenen Menschen.

Wenig Vertrauen in Klimapolitik

Studie von „Mutter Erde“

Interesse ja, aber wenig Vertrauen in die Politik: so kann man das Verhältnis der Östereicher:innen zur Klimakrise zusammenfassen. Wie die ORF-Initiative „Mutter Erde“ in einer Klimastudie festgestellt hat, sind zwar viele Menschen bereit, sich klimafreundlicher zu verhalten. Der Politik trauen sie allerdings immer weniger zu, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

Im Vergleich zum Jahr 2020 mit 60 Prozent sehen in diesem Jahr 68 Prozent der Österreicher:innen die heimische Klimapolitik skeptisch. Entsprechend ins Negative haben sich auch die Zukunftserwartungen verändert: Blickten 2020 noch sieben von zehn Personen positiv in die Zukunft, sind es jetzt nur mehr vier.

Gut informiert über den Klimawandel fühlen sich nach eigenen Angaben nur 15 Prozent der Österreicher:innen.

„Mutter Erde“: Vertrauen in Klimapolitik nimmt ab – science.ORF.at

Keine Stockerlplätze im Klimaschutz

Österreich unterdurchschnittlich

Wie im letzten Jahr haben Germanwatch und das NewClimate Institute in ihrer Klimaschutz-Rangliste erneut keine ersten Plätze vergeben, weil auch die besten Staaten nicht genug gegen die Erderhitzung tun. Ganz oben rangiert wie 2021 Dänemark. Danach kommen Schweden und Chile. Österreich als Low Performer konnte sich von Platz 36 auf Platz 32 verbessern und liegt damit im unteren Mittelfeld, weit hinter Indien oder Marokko.

China ist im Ranking auf „sehr schlecht“ abgestürzt.

Klimaschutz-Rangliste: Dänemark vorne, Österreich auf Platz 32 – science.ORF.at

Artenschutz: mangelhaft

Aufholbedarf bei Biodiversitätsmaßnahmen für Österreich

Zum dritten Mal hat der österreichische Biodiversitätsrat bewertet, wie Österreichs Politik beim Thema Artenschutz und beim Verlust biologischer Vielfalt agiert. Die Ergebnisse sind ernüchternd. In 14 von 19 Punkten sei laut dem 27köpfigen Gremium Stillstand eingekehrt. Eine Biodiversitätsstrategie lasse nach wie vor auf sich warten. Es sei auch nicht gelungen, biodiversitätsfördernder Landnutzung und grüner Infrastruktur mehr Raum zu geben.

Die Biodiversitätsstrategie-2030 der EU sieht den Schutz von 30 Prozent des Landes und von 10 Prozent der terrestrischen Flächen vor. Bis jetzt habe Österreich dieses Ziel nur mangelhaft umgesetzt, so der Biodiversitätsrat.

Im Dezember sollen in Montreal von der Weltpolitik konkrete Ziele zum globalen Artenschutz beschlossen werden.

https://orf.at//stories/3294044/

Kurz gemeldet:

Bis heute Mittag (Freitag, 1200 Uhr) hat die COP27 in Sharm El-Sheik kein Abschlussdokument zustande gebracht. Beobachter:innen befürchten bereits einen Rückschritt hinter die Ziele von Paris 2015.

Klimakonferenz: Kritik an vagem Abschlussentwurf – news.ORF.at

Auf der Artenschutzkonferenz CITES in Panama wurden zum ersten Mal 60 Haiarten unter Schutz gestellt.

news.ORF.at

Gutes Leben im Tiny House

Hörtipp

Überdimensioniert zu bauen, gehört am Land oft zum guten Ton. Das verschlingt vielfach unnötig Geld und Ressourcen, von Energie bis hin zum Landverbrauch. Ein Gegentrend sind Mini-Gebäude, sogenannte „Tiny Houses“. Die Sendung PRAXIS porträtiert eine dreiköpfige Familie aus dem oberösterreichischen Reichraming, die auf 15 Quadratmetern Grundfläche in ihrem selbst gebauten Mini-Haus lebt.

https://oe1.orf.at/nachhaltigleben/soziales

Plus 1,5 Grad schon in neun Jahren

Bei manchen Diskussionen, auch im privaten Umfeld, bin ich fassungslos, dass die Klimakrise noch immer als parteipolitisches Fronten-Hickhack im Stil von Simmering gegen Kapfenberg gesehen wird. Wenn es ein Thema gibt, das die ganze Welt, von Tuvalu bis Reichenau betrifft, dann ist es die Erderhitzung. Und die nimmt keine Rücksicht darauf, ob man grün, blau oder rot wählt.

Deutlich zeigt sich dies auch an den jüngsten Statistiken über die Sterbefälle in Folge der diesjährigen Hitzewellen. Mindestens 15.000 Menschen sind in Europa seit Jahresbeginn an der Hitze gestorben. Das verkündete Hans Kluge von der Weltgesundheitsorganisation WHO erst vor wenigen Tagen. 4.500 Todesfälle entfallen demnach auf Deutschland, fast 4.000 auf Spanien und mehr als 3.200 auf Großbritannien. Die Klimakrise hat also in jedem Fall Kleinstädte beziehungsweise große Gemeinden ausgerottet.

Die Prognosen für die Zukunft nehmen sich ähnlich düster aus. Machen wir auf dem jetzigen Weg weiter, leben wir im Jahr 2100 voraussichtlich mit durchschnittlich drei Grad mehr (in Europa werden es dann eher 5-6 Grad sein). Und bei diesem Szenario rechnet die WHO mit 90.000 Klimatoten pro Jahr auf unserem Kontinent.

Beschränken wir den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad, werden es noch immer 30.000 Menschen jährlich sein, die an den Folgen der Erwärmung sterben. (Wie wahrscheinlich dies ist und wie rasant wir diesen Wert erreichen werden, lesen Sie übrigens im ersten Beitrag dieses Newsletters.)

Gesundheitlich schlägt der Klimawandel auch bei den Allergikern ein. Wie die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie erst vor ein paar Tagen warnte, nehmen Asthma bronchiale und allergischer Schnupfen durch die erhöhten Temperaturen zu. Die Allergiesaison verlängert sich, die Pflanzen blühen heftiger, dadurch kommt es zu einer höheren Zahl von Pollen. Zusätzlich verändert die Luftverschmutzung die Oberfläche der Allergene und macht sie aggressiver, wie schon mehrfach gewarnt wurde.

Als Mensch, der mit Birken ob ihres Blütenstaubs auf Kriegsfuß steht, bin ich naturgemäß wenig begeistert von diesen Aussichten – ebensowenig von den Prognosen weiter unten im Newsletter, den Juliane Nagiller mit mir gestaltet hat.

Warnung vor bis zu 90.000 Hitzetoten jährlich in Europa – news.ORF.at

WHO: Seit Jahresbeginn 15.000 Hitzetote in Europa – news.ORF.at

Weltklimakonferenz: Klimaschutzpläne führen zu drei Grad plus – science.ORF.at

„Kein Anzeichen für einen Rückgang“

Rasanter Verbrauch unseres CO2-Budgets

Rund 40 Milliarden Tonnen CO2 werden dieses Jahr emittiert werden, das zeigt das diesjährige Global Carbon Budget. Damit wird die CO2-Konzentration in der Atmosphäre auf durchschnittlich 417,2 ppm steigen, 51 Prozent über dem vorindustriellen Niveau.

Zunehmen werden nicht nur die Emissionen aus der Ölverbrennung, was vor allem am Wiedererstarken des Flugverkehrs liegt, sondern auch jene aus der Kohleverfeuerung. „Eine besorgniserregende Entwicklung“, sagt der Nachhaltigkeitsforscher Jan Christoph Minx. Alle wissenschaftlichen Klimaschutzszenarien würden den Kohleausstieg an den Anfang stellen. Denn der Kohleausstieg sollte am leichtesten gelingen und bis 2030 nahezu abgeschlossen sein. Nun sehe man jedoch, dass auch das Einfache schwerfällt, so Minx. Zudem würden hohe Energiepreise die Suche nach neuen Gas- und Ölfeldern befeuern.

Mit sechs Prozent steigen die Emissionen dieses Jahr besonders stark in Indien – ein Land, das seinen Energiebedarf vorwiegend mit Kohle deckt. Indien ist aber auch ein Land, dessen pro Kopf-Emissionen bei nur einem Drittel dessen liegen, was in der EU pro Person ausgestoßen wird.

Sinken werden die Emissionen in China und in der EU – wobei der Rückgang in China auf den dortigen Einbruch der Bauwirtschaft zurückzuführen ist. Betrachtet man alle CO2-Emissionen seit der Industrialisierung, liegt China nur knapp hinter der EU – jedoch mit einem beträchtlichen Abstand zu Spitzenreiter USA – auf Platz drei.

Weltweit ist es dieses Jahr 24 Ländern gelungen, ihre CO2-Emissionen zu senken, obwohl ihre Wirtschaften gewachsen sind, darunter 15 EU-Länder. Diese Reduktionen reichen aber nicht aus, um die Erderwärmung einzudämmen. Nach derzeitigem Stand ist das CO2-Budget für das 1,5 Grad-Ziel bereits in neun Jahren verbraucht. (JN)

www.globalcarbonproject.org/carbonbudget

Zu wenig und falsch deklariert

Fadenscheinige Klima-Hilfsprojekte

Die Frage nach der Finanzierung der Klimafolgen steht im Zentrum der diesjährigen Klimaverhandlungen in Sharm El-Sheikh. Diese Geldfrage wird im Grunde schon seit den 1990er Jahren diskutiert. Bereits 1992 wurde in der UN Framework Convention on Climate Change festgehalten, dass die Industrieländer mehr Geld zur Verfügung stellen, um die Kosten, die in den Entwicklungsländern entstehen, zu decken.

Die Realität sieht jedoch anders aus, wie die Forschung der Pariser Wirtschaftswissenschaftlerin Basak Bayramoglu eindrücklich zeigt. Sie hat gemeinsam mit Kolleg:innen Klima-Hilfsprojekte analysiert, die als solche bei der OECD gemeldet wurden. Rund die Hälfte der analysierten Projekte hatte gar keinen Bezug zu Klimaschutz oder Klimawandelanpassung. Es brauche eine unabhängige Stelle, die die Angaben der Geberländer überprüfe, so die Wissenschaftlerin. Eine Forderung, die ebenso wie jene nach Geld, schon jahrelang gestellt wird. (JN)

https://science.orf.at/stories/3215973/

800 Millionen Arbeitsplätze von Klimawandel betroffen

Chancen durch Energiewende

Klimakrise und Energiewende werden ein Viertel aller Arbeitsplätze weltweit verändern. Das prognostiziert eine Untersuchung des Beratungsunternehmens Deloitte, die diese Woche bei der COP27 in Sharm El-Sheikh präsentiert wurde. Demnach ist das Arbeitsplatzrisiko im afro-asiatischen Raum am größten. 40% der Beschäftigten arbeiten dort in besonders betroffenen Branchen wie Energiewirtschaft, Bergbau, Industrie, Baugewerbe oder in der Landwirtschaft, die durch Extremwetter sehr gefährdet ist.

Umgekehrt könnte die Bekämpfung der Erderhitzung durch Dekarbonisierung auch Arbeitsplätze schaffen: Laut Deloitte würde die aktive Umgestaltung des Energiesystems bis 2050 mehr als 300 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze bringen, „davon 21 Millionen in Europa, 180 Millionen in Asien-Pazifik, 75 Millionen in Afrika und 26 Millionen in Amerika“, so Deloitte-Klimaexperte Bernhard Lorentz.

Studie: Klimakrise trifft Viertel aller Arbeitsplätze – news.ORF.at

Kurz gemeldet

Die EU hat ihre Klimaziele für 2030 nachgeschärft. So wurde etwa das CO2-Reduktionsziel für Deutschland von 38 Prozent auf 50 Prozent angehoben. Österreich soll den Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 2005 um 48 Prozent senken, statt bisher 36 Prozent.

https://www.orf.at/#/stories/3293015/

Schafnase, Breitarsch, Kronprinz Rudolf

Hörtipp

Fast alle modernen Apfelsorten der letzten 90 Jahre stammen von sechs Stammsorten ab, darunter Golden Delicious, Cox Orange oder James Grieve. Letztendlich sind es diese Züchtungen, die in den Supermarktregalen landen. Sie haben aber aufgrund der nur wenigen „Stamm-Eltern“ zunehmend Vitalitätsprobleme, wie etwa die Anfälligkeit für Schorf bei der beliebten Sorte Topaz.

Tatsächlich gibt es in Österreich rund 1.000 Apfelsorten, die vielfach nicht einmal die Baumbesitzer kennen. Sie tragen so klingende Namen wie Schafnase, Berlepsch, Gravensteiner oder Luisenapfel. Und sie sind es auch geschmacklich wert, wiederentdeckt zu werden.

Die DIMENSIONEN zeigen, wie reglementiert etwa der Anbau der „Clubsorte“ Pink Lady im Vergleich zum „freien“ Obstbau ist.

Schafnase, Breitarsch, Kronprinz Rudolf, 07.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Lesetipp: Arche Noah-Artikel zu modernen und alten Apfelsorten

„Wandel“ oder „Krise“? Klimabildung an Schulen

Hörtipp

In den Lehrplänen ist die Klimakrise ein Randthema. Wieviel Schüler:innen über das Thema erfahren, hängt von den Lehrkräften ab. Dabei bietet fast jeder Gegenstand die Möglichkeit, über das Klima zu reden oder es einzubinden. MOMENT zeigt in einer Reportage aus zwei sehr klimabewussten Schulen im Waldviertel und in Wien, wie dort im Unterricht über die Erderwärmung gesprochen wird.

„Wandel“ oder „Krise“? Klimabildung an Schulen, 08.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Der Rhonegletscher verabschiedet sich

Hörtipp

Seit dem 19. Jahrhundert wird am Schweizerischen Rhonegletscher jedes Jahr eine Eisgrotte in den Gletscher geschlagen. Möglich ist diese Touristenattraktion nur noch, weil das Eis mit Textilplanen vor dem Schmelzen geschützt wird. 

Die Alpengletscher schrumpfen in atemberaubendem Tempo. Wie das JOURNAL PANORAMA zeigt, geht innerhalb eines Monats teilweise ein Meter Eis am Rhonegletscher verloren. Der Gletscherforscher Matthias Huss nennt seine Arbeit dort manchmal „Sterbebegleitung“. Mit den Gletschern verschwindet einerseits ein Wasserspeicher, andererseits werden damit auch Berge instabil, wie etwa das Unglück auf der Marmolata andernorts gezeigt hat.

Der Rhonegletscher verabschiedet sich, 08.11. | Ö1 | ORF-Radiothek

Europa als Klima-Ground Zero

In den Herbstferien packte sich die Familie zusammen und fuhr mit dem Nachtzug nach Paris. Ich mag die ÖBB und ich genieße die Beinfreiheit in den Zügen. In der Realität war in Sachen Komfort noch viel Luft nach oben. Die Liegewagen kamen tief aus dem letzten Jahrhundert. Sie waren sauber, aber recht ausgeschlafen empfing uns der Gare de l’Est nicht.

Das will ich den ÖBB gar nicht zum Vorwurf machen. Die Bestellung moderner Garnituren dauert mehrere Jahre, was jede Erneuerung von vornherein zu einem langwierigen Projekt macht. Bis sich die Mittelstrecke per Bahn etabliert, wird es wohl ebenfalls noch lange Zeit brauchen.

Dazu kommt das alte Preisthema: Per Flugzeug wäre die Reise nach Paris nur halb so teuer gewesen. Nun kann man sich den Mehrpreis schön rechnen, weil man durch die nächtliche Fahrt 1-2 Übernachtungen spart. Trotzdem. Das Problem liegt nicht in den Bahnkosten, sondern in der altbekannten Tatsache, dass Fliegen einfach zu billig ist.

Jeder Flug ist eine Umverteilung von Kosten zu Lasten der Nicht- und Wenigflieger. So beziffert das deutsche Umweltbundesamt die direkten Klimaschäden bei Flügen unter 2000km mit 5 Cent pro Personenkilometer. Auf der Kurzstrecke sind die Schäden noch höher.

Dazu tragen nicht nur die 3,15 Kilogramm CO2 bei, die pro Liter verbranntem Kerosin entstehen. Auch Beiprodukte wie Ruß, Wasserdampf und Stickoxide heizen den Planeten auf. Die Kondensstreifen etwa führen zur Bildung von Cirrus-Wolken, die einerseits Sonnenstrahlen reflektieren (was positiv im Sinne der Kühlung des Planeten wäre), andererseits aber auch die Abstrahlung von Wärme unter ihrem Schirm verhindern. Rechnet man diese Effekte dazu, ist der Erwärmungseffekt des Luftverkehrs etwa dreimal so groß wie bei der alleinigen Betrachtung seiner Kohlendioxid-Emissionen. Und damit ist das Flugzeug das klimaschädlichste Verkehrsmittel pro Personenkilometer.  

Aber es geht hier nicht um Flug-Scham. Und es wäre vermessen, von jedem einzelnen zu fordern, die Welt durch den Verzicht auf Flugreisen zu retten. Große Lösungen können nur politisch sein. Und dazu gehört nicht eine völlig erratische Bevorzugung eines Verkehrsmittels, dessen wahre Kosten sozialisiert werden, sondern eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung der Kosten einzelner Transportvarianten samt entsprechender Verteilung von Fördermitteln.

Sehr nett fand ich zum Transportthema übrigens einen Link, auf den ich via @_benjamintd und Twitter stieß: Auf https://www.chronotrains.com/de können Sie sich für jeden Punkt in Europa anzeigen lassen, wieweit Sie es mit der Bahn von dort aus in 5 Stunden schaffen. Damit erhalten Sie auch ein gutes Bild bereits ausgebauter Hochgeschwindigkeitsnetze samt noch existierender „weißer Flecken“ auf der europäischen Bahn-Landkarte.

Europa fiebert

Doppelt so starke Erhitzung wie im globalen Schnitt

Seit 1991 steigen die Temperaturen in Europa pro Dekade um rund 0,5 Grad. Damit erwärmt sich der Kontinent doppelt so schnell wie der Globus als Gesamtheit. Das zeigt der Klimazustandsbericht Europa der Weltwetterorganisation (WMO).

In der Arktis und in höheren nördlichen Breiten führt die Klimakrise zu einer noch stärkeren Erhitzung. Zum „kontinentalen Fieber“ trägt auch die physikalische Tatsache bei, dass sich die Luft über Kontinenten generell stärker erwärmt als über dem Meer.

In Folge der starken Erwärmung haben die Alpengletscher seit 1997 zum Beispiel 30 Meter an Eisdicke verloren, über dem höchsten Punkt Grönlands, auf 3.200 Meter Höhe, regnete es im Sommer 2021 zum ersten Mal. Das Abschmelzen des grönländischen Gletschers trägt maßgeblich zum Ansteigen des Meeresspiegels bei.

Die Arktis erwärmt sich gar dreimal schneller als der globale Durchschnitt. Johan Rockström, der Direktor des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung PIK nennt Europa deshalb den „planetaren Ground Zero“ bei den Auswirkungen der Klimakrise.

https://science.orf.at/stories/3215864/

Noch mehr Rekorde

Im Jänner 2022 wurde in der Arktis der stärkste Sturm seit Beginn der Aufzeichnungen beobachtet. Er führte nicht nur zu einer verstärkten Eisschmelze, sondern auch zu 8 Meter hohen Wellen, zu Spitzenwindgeschwindigkeiten und dem tiefsten dort jemals gemessenen atmosphärischen Druck von 932 Millibar.

https://agupubs.onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2022JD037161

2021 erreichten die Methan- und CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre neue Höchststände.

Rekordanstieg bei Methan-Emissionen – science.ORF.at

Der Oktober 2022 war der wärmste Oktober der Messgeschichte.

Klimaerwärmung: Wärmster Oktober der Messgeschichte – science.ORF.at

Kurz gemeldet

Die Zahl der Nebelstunden am Bodensee nimmt ab. Das liegt zum einen an der Erderwärmung, zum anderen aber auch an einer saubereren Luft.

Weniger Nebel am Bodensee – science.ORF.at

Die Macht der Sonne: Erneuerbare Energien im Nahen Osten

Hörtipp

37 Quadratkilometer ist der größte Solarpark Afrikas groß. Er steht mit seinen 6 Millionen Photovoltaikmodulen in Ägypten. Das von politischen Krisen und Menschenrechtsverletzungen gebeutelte Land ist aber nicht das einzige im Nahen Osten, das sich zunehmend um erneuerbare Energien annimmt. Auch Staaten, die bisher Vermögen mit ihren dreckigen fossilen Rohstoffen verdient haben, versuchen sich an nachhaltigen Energieprojekten. Ob das mehr ist als Greenwashing, hat diese Woche das JOURNAL PANORAMA in einer hörenswerten Reportage beleuchtet.

https://oe1.orf.at/player/20221103/697521

Wer die Zeche zahlt

Es war zweifellos das Leseerlebnis dieser Woche: „Global carbon inequality over 1990-2019“. Lukas Chancel listet in diesem „Nature Sustainability“-Artikel auf, wie ungerecht CO2-Emissionen je nach Reichtums-Niveau verteilt sind, national wie global.

Demnach hat die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung 2019 nur 12 Prozent der globalen Treibhausgase verursacht, das reichste Zehntel hingegen fast die Hälfte an CO2 und ihren Äquivalenten (also andere Treibhausgase eingerechnet).

Schlüsselt man die Verteilung nach Regionen auf, sind die Unterschiede ebenso krass: So emittieren die Top-Verdiener in den USA fast 70 Tonnen CO2 pro Person und Jahr, die untere Einkommenshälfte nur rund 10 Tonnen. In Europa stehen rund 30 Tonnen bei den Einkommensstärksten 5 Tonnen bei den finanziell Schwächeren gegenüber.

Der globale Durchschnitt liegt übrigens bei 6 Tonnen. In Österreich verantwortet jeder Mensch im Schnitt 7 Tonnen CO2-Äquivalente. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung verursacht hingegen nur etwa 1,4 Tonnen pro Jahr. Anschauliche Grafiken finden Sie im Artikel.

Aber genug der Zahlen. Fast noch interessanter sind die Schlussfolgerungen für die Klimapolitik. Erstens hat ein Großteil der Europäer das 2030er-Ziel des Paris-Abkommens bereits erreicht (6 Tonnen). Vor allem die untere Einkommenshälfte hat die Vorgaben fast zur Gänze erfüllt, so die Berechnungen von Chancel. Deren Emissionen sind seit den 1990er Jahren auf Grund von Lohnverlusten, geringeren Konsummöglichkeiten oder Energieeffizienzmaßnahmen um 25-30 Prozent gefallen.

Ganz anders sieht die Lage bei den Vermögenden aus. Als Beispiel seien die USA oder China genannt. Dort müssten die reichsten 10 Prozent ihren Treibhausgasausstoß um 86 Prozent bzw. 70 Prozent reduzieren, um die Paris-Ziele für 2030 zu erreichen (ein Großteil dieser Emissionen kommt nicht aus dem privaten Konsum, sondern Investitionen).

Wie zieht man also die Hoch-Emittenten zur Verantwortung? Sehr viel Klimapolitik wurde in der Vergangenheit auf Kosten der Ärmeren gemacht, die ohnehin weniger Klimaschäden verursachen, meint Lukas Chancel. Das sei unverhältnismäßig. Eine zukünftige CO2-Bepreisung müsse daher mit Umverteilung gekoppelt sein, da vor allem Einkommensschwächere oft keine Konsumalternativen hätten, während Investoren sehr wohl überlegen könnten, in welche Technologien sie investieren.

Chancel denkt auch an eine Steuer, die mit zunehmenden Emissionen steigt. Dabei treffen sich seine Schlussfolgerungen mit jenen des Club of Rome: den Großteil der „Zeche“ werden die Begüterten zahlen (müssen). Die 1 Prozent Topverdiener:innen des Planeten tragen demnach rund 40 Prozent zu CO2-Steuern bei, die obersten 10 Prozent schultern ingesamt fast drei Viertel der finanziellen Last, so der Plan. 9 von 10 Europäer:innen würden nicht mehr von einer CO2-Steuer getroffen werden, und auch 77% der US-Bevölkerung bliebe die Zusatzbelastung mangels Emissionen erspart.

Momentan folgt die Klimapolitik vielfach noch dem gängigen Trend, die Kosten zu sozialisieren, die Gewinne aus Klimaschäden hingegen zu privatisieren. Wenn wir die Klimakrise bewältigen und die Kluft zwischen Arm und Reich nicht noch weiter vertiefen wollen, werden wir aus diesem Mantra wohl aussteigen müssen.

Klimagerechtigkeit für Afrika

Aufruf von Wissenschafter:innen

In rund 250 Fachjournalen, vom renommierten The Lancet bis zum British Medical Journal, fordern 16 Autor:innen mehr Unterstützung für den Kontinent. Obwohl Afrika kaum zur Klimakrise beigetragen habe, müsse es unverhältnismäßig an ihren Folgen leiden. So habe sich die Zahl der Dürren im letzten halben Jahrhundert verdreifacht.

Das Team von Wissenschafter:innen geht davon aus, dass die Klimakrise bereits rund ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts jener Länder vernichtet hat, die am stärksten von Extremwetter betroffen sind. Das Versprechen der reichen Länder, Afrika mit 100 Milliarden jährlich zu unterstützen, wurde bisher nur zum Teil eingelöst.

250 Fachjournale fordern Klimagerechtigkeit für Afrika – science.ORF.at

Mehr Verlierer als Gewinner

Pflanzensterben und Klimakrise

Der Bestand von mehr als 1.000 Pflanzenarten ist im letzten Jahrhundert geschrumpft, nur rund 700 Arten konnten ihre Populationen vergrößern. Das zeigt die Untersuchung von 7.700 Flächen in Deutschland. Zu den Verlierern zählen vor allem Arten auf Magerwiesen, die durch die intensive Landwirtschaft dezimiert wurden.

Während die Verluste sehr gleichmäßig verteilt seien, gebe es nur punktuelle Gewinner, wie ein Artikel in Nature dokumentiert. In Österreich dürfte die Situation ähnlich sein.

Pflanzenwelt: Wenige Gewinner auf Kosten vieler Verlierer – science.ORF.at

Basiswissen Klimawandel

Gratisbroschüre

Seit Beginn der Industrialisierung hat der Gehalt von Kohlendioxid in der Atmosphäre um rund 50 Prozent zugenommen. Damit ist die Konzentration des Treibhausgases höher als jemals zuvor in den vergangenen 800.000 Jahren (wahrscheinlich sogar 3 Millionen Jahren).

Infos wie diese findet man in einer übersichtlichen Broschüre namens „Was wir heute übers Klima wissen“ auf klimafakten.de, die von renommierten Forschungseinrichtungen ständig aktualisiert wird, zuletzt im September.

Das File mit „Basisfakten zur Klimakrise, die in der Wissenschaft unumstritten sind“, so der Untertitel, ist als pdf gratis downloadbar.

waswiruebersklimawissen-akt202222-09-23web.pdf (klimafakten.de)

Kurz gemeldet

Zum ersten Mal in der Geschichte Alaskas wurde der Schneekrabbenfang im Bering-Meer abgesagt. Die Bestände sind in den letzten vier Jahren von 8 Milliarden auf 1 Milliarde Tiere gefallen. Der Grund ist unbekannt.

https://orf.at/stories/3290033/

Wider die Trittbrettfahrer – Warum es globale Klimapolitik so schwer hat.

Hörtipp 1

Es ist leicht, auf internationalen Meetings globale Klimapolitik zu vereinbaren, wenn sie dann keiner kontrolliert. Und wenn einer vorprescht und wie Europa seine Industrie zwingt, klimafreundlicher zu produzieren, kann durchaus ein Kräfteungleichgewicht entstehen, von dem „dreckige“ Hersteller in anderen Erdteilen profitieren. Spannende DIMENSIONEN über die Schwierigkeit, globale Klimapolitik zu machen.

Wider die Trittbrettfahrer | DI | 18 10 2022 | 19:05 – oe1.ORF.at

Wirtschaft ohne Wachstum?

Hörtipp 2

Ob Klimaschutz und Wirtschaftswachstum kompatibel sind, wird seit dem Bericht „Die Grenzen des Wachstums“ diskutiert. Die einen verweisen auf „grünes“ Wachstum, andere betonen, dass es bisher nicht gelungen sei, Ressourcenverbrauch und Wachstum voneinander zu entkoppeln. Ob eine Wirtschaft ohne Wachstum möglich ist, darüber streiten zwei Wirtschaftsforscher in den DIMENSIONEN.DISKUSSIONEN.

https://oe1.orf.at/programm/20221020/695017/Gruenes-Wachstum